Spreebogen:Am Klavier mit der Budnesknarzlerin

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Seitdem ihm seine Frau und die Schwiegereltern ein Klavier geschenkt haben, versucht sich unser Kolumnist Nico Fried als Pianist. "Morning Has Broken" heißt die aktuelle Herausforderung.

Von Nico Fried

Neulich habe ich damit begonnen, auf dem Klavier das Lied Morning Has Broken einzustudieren. Wenn ich es eines Tages spielen kann, soll es ein Geschenk für meine wunderbare Frau werden. Sie und meine Schwiegereltern haben mir das Klavier geschenkt. Meinen Schwiegereltern habe ich jüngst schon mal das Intro zu Morning Has Broken vorgespielt. Es klang grausam, aber sie haben sich eines Kommentars enthalten. Meine Frau ist da anders. Als ich ihr aus meiner russischen Klavierschule für Anfänger meine erste Polka zu Gehör brachte, fragte sie, ob es sich um eine Polka für Fußlahme handele.

Ich habe vor einem Jahr mit dem Klavierspiel angefangen. Ich tat es meinem Lieblingskollegen von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gleich, der schon seit ein paar Jahren spielt. Er empfahl mir auch eine großartige Klavierlehrerin, die sich mit unerschütterlicher Geduld mein Geklimper anhört und den Glauben nicht aufgibt, dass meine Handgelenke irgendwann in diesem Leben noch geschmeidig werden.

Wenn wir als Journalisten nicht mehr gefragt sein sollten, wollen mein Kollege und ich vierhändig auftreten. Mit ihm kann ich mir das sehr gut vorstellen, weil wir schon ganz andere Härtetests in unserem Leben gemeinsam überstanden haben, zum Beispiel die Jahre, als wir beide in unseren jeweiligen Blättern über Joschka Fischer zu berichten hatten.

Meine Kollegen im Büro unterstützen mein Hobby. Sie nehmen klaglos hin, dass ich einmal in der Woche wegen meiner Unterrichtsstunde verspätet zur Konferenz erscheine. Sie geben sich überaus interessiert, wenn ich ihnen an den Tasten des Telefons im Konferenzraum das Wesen eines Legatos erläutere. Richtig ist auch, dass der Kollege Hulverscheidt mich früher gerne mit dem Ausruf "Ah, Rischard Clayderman!" begrüßte. Nicht richtig ist allerdings, dass er mich einmal hat spielen hören und das der Grund gewesen sein soll, weshalb er sich nach New York versetzen ließ.

Es gibt erstaunliche Parallelen zwischen Klavierspiel und politischem Journalismus. Zum Beispiel die Blockaden zwischen Hirn und Hand. Seit ich an einer Stelle in Morning Has Broken regelmäßig auf dem Weg vom D zum Fis mit dem Zeigefinger über meinen Mittelfinger stolpere, verstehe ich meinen ehemaligen Büroleiter - der nicht der ehemalige Büroleiter ist, den Sie jetzt meinen - viel besser. Er hat schon immer statt Bundeskanzler Budnesknarzler geschrieben, woran sich auch mit Angela Merkel nichts änderte, außer dass er nun seit bald zehn Jahren Budnesknarzlerin schreibt. Es gibt Dinge in unserem Alter, die lassen sich auch mit dem geschmeidigsten Handgelenk nicht mehr ändern.

Im Spiegel habe ich nun ein schönes Interview mit Alan Rusbridger gelesen, dem ehemaligen Chefredakteur des Guardian, der neben seinem ganzen Stress als Zeitungsmacher eine sehr schwierige Ballade von Frédéric Chopin einstudierte. Er hatte sich dafür ein Jahr Zeit gegeben. Genau so werde ich es mit Morning Has Broken nun auch machen. Das Stück ist zwar nicht so schwer wie Chopins Ballade Nr. 1. Aber ich bin ja auch noch nicht Chefredakteur.

© SZ vom 05.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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