Schön doof:Steil bergauf

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Illustration: Bene Rohlmann (Foto: N/A)

Titus Arnu versteht bei aller Lust am Outdoor-Erlebnis nicht, warum man im Sommer Skisprungschanzen hochrennen muss.

Von Titus Arnu

Ganz früher liefen Outdoor-Erlebnisse ungefähr so ab: Steinzeitmensch wagt sich wg. Hunger aus Höhle, pirscht sich an Mammut ran, trifft auf Säbelzahntiger, der sich wg. Hunger an Steinzeitmensch ranpirscht; Steinzeitmensch stellt neuen 400-Meter-Weltrekord auf und hat in der Höhle eine drogenrauschhafte Adrenalin-Ausschüttung (aber immer noch Hunger).

Heute müssen sich Outdoor-Fans in Ermangelung von Säbelzahntigern, Hunger und Höhlen andere Wege suchen, um einen vergleichbaren Adrenalin-Kick zu erleben. Dabei kommen sie auf die absurdesten Ideen. Sie spielen unter Wasser Hockey. Sie brettern auf umgebauten Snowboards einen aktiven Vulkan hinunter. Sie rennen in einem Salzbergwerk 100 Meter unter der Erdoberfläche einen Marathon im Dunkeln. Sie stürzen sich in Batman-Kostümen von Klippen und Hochhäusern.

Da stellt sich die Frage: warum? Die Kombination von Hormonausschüttung und Todesnähe bringt einen gesundheitlich ja nicht unbedingt weiter, es kann genauso leicht schiefgehen wie damals mit dem Säbelzahntiger. Bei manchen Sportarten lässt sich küchenpsychologisch spekulieren, was die Athleten antreibt. Basejumping, Paragliding, Bungeejumping - alle diese Versuche, die Schwerkraft zu überlisten, hängen mit dem uralten Traum des Menschen vom Fliegen zusammen.

Diesen Schwebezustand erleben die meisten Leute nur passiv, wenn sie im Fernsehsessel hängen, mit drei Bier intus, und drahtige Menschlein in gummiartigen Wurst-Anzügen bewundern, die mit langen, breiten Latten unter den Füßen auf einen Abgrund zusegeln. Man möchte nicht unbedingt mit den Skifliegern tauschen, auch weil sie aus Gewichtsgründen praktisch immer Hunger haben müssen.

Welchen Sinn aber sollte es haben, eine Skischanze hinaufzurennen? Und das auch noch in der heißesten Zeit des Jahres? Bei einem Wettbewerb namens "Red Bull 400" haben die Teilnehmer an diesem Wochenende genau das vor. Es geht aufwärts, auf der Hochfirstschanze im Schwarzwald. Die Entfernung vom Start bis zum Ziel beträgt zwar nur 400 Meter, aber der Höhenunterschied. . . ! 135 Meter sind auf Deutschlands größter Naturschanze am Titisee zu überwinden. "Für die Teilnehmer werden es die brutalsten 400 Meter ihres Lebens", droht der Veranstalter. Trotzdem haben sich 600 Bergläufer angemeldet.

Nach 50 Metern werden sie auf allen vieren unterwegs sein, um über eine Rampe auf den Schanzentisch zu kriechen, die letzten Meter in einer Mischung aus Krabbeln und Klettern bewältigen. Der ehemalige Skispringer Andreas Goldberger kam nach einem ähnlichen Rennen auf der Skiflugschanze am Kulm zu einer verblüffenden Erkenntnis: "Absolut verrückt. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass der Weg in die andere Richtung derart brutal ist." Verrückt? Na ja, es geht sicher noch härter. Unterwasser-Sumo. Rückwärts-Formel-1. Sauna-Aufguss-Meisterschaft. Aber eine Schanze ohne Sprung? Da kommt der Traum vom Fliegen brutal zum Erliegen.

© SZ vom 25.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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