Scheidungskinder:Ist der Papa wieder da?

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Getrennt leben, aber gemeinsam Weihnachten feiern - das funktioniert nicht, sagen Psychologen.

Christian Mayer

Es säuselt durch alle Klatschspalten, der Schmalz tropft aus den Boulevardblättern. Man rückt wieder zusammen, auch wenn man sich zuvor bekriegt hat. Vor Weihnachten dürfen sich prominente Paare, aber auch prominente Ex-Paare, als romantisch veranlagte Familienmenschen präsentieren, denen das Herz aufgeht, wenn Heilige Nacht ist.

Weihnachtliches Theaterspiel: Kinder ist nicht geholfen, wenn am 27. Dezember die Realität über sie hereinbricht. (Foto: Foto: iStockphotos)

Und so lesen wir in diesen Tagen wieder viele tröstliche Nachrichten: Schauspielerin Veronica Ferres will das Fest gemeinsam mit ihrem Noch-Ehemann Martin Krug und den Kindern verbringen.

Til Schweiger, fleißiger Vater von vier Kindern, geht die Sache lässig an und setzt sich mit seiner verflossenen Dana unter den Weihnachtsbaum, die sich netterweise um den Truthahn kümmert. Popsängerin Sarah Connor und ihr Gatte Marc Terenzi? Packen zusammen mit den Kindern Geschenke aus und vergessen für ein paar Stunden ihren medial ausgetragenen Trennungsschmerz.

Auch Madonna und Guy Ritchie, das Scheidungspaar des Jahres, wollen gemeinsam die große Familien-Show inszenieren, um Tochter Lourdes und die Söhne Rocco und David glücklich zu machen.

Schnell keimt Hoffnung auf

In allen Fällen geht es den Beteiligten um das Wohl der Kinder, wie sie versichern. Man rauft sich zusammen, um das Fest einigermaßen über die Bühne zu kriegen. Dann klingelt an Heiligabend der Vater an der Tür, bringt einen Berg Geschenke mit und zieht für zwei Tage ins Gästezimmer, in der Hoffnung, dass man bei Kerzenduft zu einer Art Vernunftehe zurückkehren kann.

Das Verhaltensmuster der Schweigers und Connors ist allerdings nicht zu empfehlen, findet die Bonner Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Ulrike Mattern-Ott: "Wenn frisch getrennte Paare keine Kinder hätten, würden sie ja auch nicht gemeinsam feiern."

Oft würden sich Eltern nur aus schlechtem Gewissen dazu genötigt sehen - oder auch, um vor dem erweiterten Familienkreis den Schein von Harmonie aufrechtzuerhalten. Aber Rücksichtnahme auf die Wünsche von Großeltern und Onkeln sei der falsche Weg, vor allem dann, wenn ein Elternteil die Trennung noch nicht verkraftet hat.

Paartherapeuten und Jugendpsychologen sind sich weitgehend einig: Auch den Kindern ist oft nicht geholfen, wenn die Eltern ihnen vor festlich erleuchteter Kulisse Einvernehmen vorgaukeln - und dann am 27. Dezember die Realität zurückschlägt.

"Bei Kindern keimt schnell Hoffnung auf. Die geben sich einem Trugschluss hin und sind vollkommen überfordert", weiß Mattern-Ott aus ihrer therapeutischen Erfahrung. Die Ärztin rät getrennten Eltern deshalb, in der Weihnachtszeit mit den Kindern einfach in den Urlaub zu fahren oder Freunde zu besuchen - ohne den Ex-Partner.

Einem Schauspieler wie Til Schweiger mag die Doppelrolle des liebenden Familienvaters und lässigen Ex-Mannes leichter fallen als anderen. Der Paartherapeut Hans Jellouschek ist allerdings skeptisch: "Es ist nur ein Krampf, wenn Erwachsene nicht mehr miteinander können und wegen der Familie glauben, gemeinsam feiern zu müssen."

Jellouschek hält es für sinnvoller, das Fest fair aufzuteilen: Am Heiligabend sind die Kinder dann bei der Mutter, am Ersten Weihnachtsfeiertag beim Vater - oder umgekehrt. "Zweimal feiern ist für die Kinder oft attraktiv, die nehmen die Sache viel gelassener als die Erwachsenen."

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Der heillose Geschenke-Wettstreit

Die Inszenierung der heilen Welt an Heiligabend, wie sie Prominente auf gefällige Weise demonstrieren, entspringt dem Bedürfnis, es allen recht zu machen. "Man sollte aber keine potemkinschen Dörfer aufbauen - Kinder reagieren empfindlich bei falschen Botschaften", sagt Michael Schulte-Markwort, ärztlicher Direktor für Kinder- und Jugendpsychosomatik am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf.

Der Mediziner empfiehlt Eltern, auf neue Lebensverhältnisse "angemessen zu reagieren". Für Kinder muss es kein Nachteil sein, in zwei Lebenswelten zu feiern. "Andernfalls sind sie versucht zu glauben: Papa ist wieder da."

Um selbst mit der Trennung fertig zu werden, neigen Väter und Mütter auch dazu, ihre Liebe materiell auszudrücken. Besonders Eltern, die das gemeinsame Heim verlassen haben, kompensierten so Schuldgefühle, hat Schulte-Markwort beobachtet. "Dann kommen verunsicherte Väter mit dicken Geschenken für die Kinder an, obwohl sie gerade erbittert um die Unterhaltszahlungen oder Besuchsrechte kämpfen. Oft geschieht das, um den Ex-Partner zu überbieten."

Wer sich auf eine befristete Wiedervereinigung an Weihnachten einlässt, sollte klare Absprachen treffen, sagt der Paarberater und Buchautor Michael Mary. Er hält es für sinnvoll, dass sich Eltern, die kein Paar mehr sind, an den Feiertagen gemeinsam um die Kinder kümmern. Allerdings nur dann, wenn sie respektvoll miteinander umgehen - ohne Schuldzuweisungen und Beziehungsdiskussionen.

"Im besten Fall erleben die Kinder, dass beide Eltern für sie da sind", sagt Mary. Dies setze eine gewisse Distanz voraus, die an einem solchen Abend schnell einer Aggression weichen kann: "Für den Notfall braucht man eine Vereinbarung, etwa ein bestimmtes Stichwort, bei dem ein Elternteil sich zurückziehen muss. Oder man trifft sich gleich auf neutralem Boden, etwa im Restaurant."

© SZ vom 20.12.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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