Sack Reis:Wir fahren nach Berlin

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Wenn China nach Deutschland kommt, dann bringt der Präsident auch zwei Pandas mit. Wenn das kein Grund für die allerschönste Verwandlung in einen Panda ist, was dann?

Von Kai Strittmatter

"Hör mal", sagte ich. Und las die Geschichte vor. "Einst träumte Zhuangzi, dass er ein Schmetterling sei, ein Schmetterling, der glücklich umherflatterte und nichts wusste von Zhuangzi. Plötzlich wachte er auf, da war er wieder Zhuangzi. Jetzt weiß ich nicht: Hat Zhuangzi geträumt, dass er ein Schmetterling sei, oder hat der Schmetterling geträumt, dass er Zhuangzi sei?"

Aus der Ecke ein Brummen. "Mhm", brummte der Panda auf meinem Sofa. Er feilte sich gerade die Krallen der rechten Tatze. "Zhuangzis Schmetterlingstraum. Kenn ich." So. "Und woher?", sagte ich. "Studium. Zweites Semester." Erstaunt blickte ich auf. "Du hast studiert?" - "Yup", sagte der Panda gelangweilt. "Aha. Und was, wenn ich fragen darf?" Ich versuchte, nicht allzu spöttisch zu klingen. "Sinologie, München, Kaulbachstraße", sagte der Panda. "Haha, sehr lustig", sagte ich und ahmte seinen Bariton nach. "Wahrscheinlich bei Professor Bauer, stimmt's?" - "Stimmt", sagte der Panda ungerührt. "Die Fischsymbolik der frühen Han-Zeit. Summa cum laude." Rindviech, dachte ich. "Depp", sagte ich. "Wieso?" Er blickte mich an. "Weil das meine Arbeit war, mein Prof, mein Studium", platzte es aus mir heraus. "Deshalb." Er richtete sich auf. "So?"

Der Panda ging zur Tür und rief meine Frau. Als sie kam, drückte er ihr einen leichten Kuss auf den Mund und bat sie, ihm kurz ihren Schminkspiegel zu leihen. Er hielt den Spiegel vor uns. "Was siehst du?" Ich sah einen schlecht gelaunten Panda und einen unausgeschlafenen Chinakorrespondenten. "Dich und mich", sagte ich. "Und jetzt", sagte er, "streck mal die Zunge raus." Ich und der Panda im Spiegel streckten die Zunge raus. Für einen Moment erstarrte ich. "Hör auf!", rief ich. "Mit was denn?" Der Panda legte den Spiegel weg. "Mit deinen Psychotricks. Du bist hier der Panda und ich bin der Korrespondent!" Der Panda musterte mich, so wie ein Arzt seinen Patienten mustert. "Ach ja?", sagte er: "Ich sage, du träumst. Du bist ein Panda, der träumt, er sei Korrespondent." - "Aha", rief ich, "Und du?!?" - "Vielleicht bin ich ja der Korrespondent, der gerade träumt, er sei ein Panda", sagte der Panda und grinste. "Und du hast dich dann mit deinem Traum in meinen Traum hineingebeamt, oder wie?" Ich packte ihn an den Ohren. "Aua", schrie er. "Ha!", rief ich. "Pandaohren." - "Und wenn?", grunzte er. "Beweist gar nix." Jetzt packte er mich an den meinen. "Ha!", rief er.

Wir saßen jetzt an entgegengesetzten Enden des Sofas, beide schwer schnaufend.

"Hör mal", sagte er schließlich. "Die Deutschlandreise unseres Präsidenten, du weißt schon. Er bringt zwei Pandas mit, sein Geschenk für den Berliner Zoo." - "Ja. Stand in den Zeitungen. Und?" - "Ich hab da was läuten gehört." Er beugte sich vor und flüsterte mir etwas ins Ohr. "Heilige Scheiße", entfuhr es mir. "Im Ernst?" Er nickte stumm. "Meine Freunde von der Zuchtstation haben es mir gesteckt", sagte er. - "Und wann ..." - "Morgen schon wollen sie uns beide holen." - "Aber wieso wir zwei?" - "Sie haben wohl gehört, dass es da in Peking zwei Pandas gibt, die Deutsch sprechen. Der Berliner Zoo soll begeistert sein" - "Aber", stammelte ich, "aber ich bin doch gar kein ...". Der Panda schwieg und hielt mir noch einmal den Spiegel vor. Ich hielt mir die Tatzen vors Gesicht. Herr, dachte ich, wenn es dich gibt, dann lass mich jetzt aufwachen.

© SZ vom 17.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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