Sack Reis:Von Pi:pl zu Pi:pl

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Ja, was denn jetzt: Wie alt ist Chinas Geschichte nun? Bringt sie 3000 Jahre auf die historische Waage? Sind es doch 5000, wie neuerdings lauthals festgestellt wird? Oder sind es gar 8000? Über sowas denkt gern der "People-to-People-Dialog" nach.

Von Kai Strittmatter

Wie die Zeit vergeht. Als ich anfing, Sinologie zu studieren, hatte China eine Geschichte von 3000 Jahren. Heute sind es 5000, sagt jedenfalls die Regierung. Und vor ein paar Tagen erzählte Donald Trump der Zeitschrift Economist von Chinas großartiger Geschichte von 8000 Jahren. Es machten sich dann wieder einmal alle lustig über Trump, aber ich glaube, ich weiß, wie er auf die Zahl kommt. Neulich war ich auf einem "People-to-People-Dialog". P2P. Das ist etwas Neues, das ist, wenn welche miteinander reden, nämlich Pi:pl. Haben die Chinesen das jetzt also auch noch erfunden, das mit dem Miteinanderreden, dabei hätten wir da nun wirklich selbst drauf kommen können. Kein Wunder, hängen die uns bald überall ab.

Wobei mir noch immer nicht genau klar ist, wer da jetzt am Ende gemeint ist: das Volk? Oder "d'Leit", wie man bei uns zu Hause im Voralpenland sagt? Wenn man überhaupt was sagt, die Leute sind dort eher sparsam, gerade im Dialog. Jedenfalls saßen nun in Peking in einem riesigen Saal auf der einen Seite viele chinesische Partei- und Regierungsfunktionäre und auf der anderen Seite unter anderem der Felix Magath, der Sigmar Gabriel und, ganz hinten in der letzten Reihe, da wo immer die Journalisten hingesetzt werden, ich. Waren wir die Pi:pl? Oder das Pi:pl? Jedenfalls guckten wir uns zuerst einen dieser tollen Filme an mit viel blauem Himmel und flatternden Fahnen, in dem glaube ich die Seidenstraße vorkam und vielleicht sogar Duisburg, auf jeden Fall aber bambuskauende, purzelbaumschlagende Pandabären - und am Ende sind es halt immer die bambuskauenden, purzelbaumschlagenden Pandabären, die hängen bleiben. Sorry, Duisburg.

Draußen im Foyer gab es was zum Staunen, nämlich eine kleine Fußballausstellung. Weil: "Der Fußball eint Länder in weiter Ferne in gemeinsamer Prosperität", so stand es am Eingang. Da stand noch einiges mehr, was zum grüblerischen Kopfnicken einlud, zum Beispiel in der Weite des Raumes erneut Felix Magath. Und hinten an der Wand dieser Satz: "Selbst Meere und Berge können Gleichgesinnte nicht trennen." Ich nehme an, damit waren die Pi:pl gemeint. Herzstück der Ausstellung waren kleine Messingfiguren, die einen "Cuju"-Ball aus der Han-Dynastie balancierten und damit den Beleg lieferten, dass, eh klar, lange vor dem Buchdruck und dem People-to-People-Dialog die Chinesen auch den Fußball erfunden haben, vor mehr als 2000 Jahren. Vielleicht war das Herzstück aber auch der Felix Magath, der nämlich vermittelte, wie er da so stand, den Eindruck, als sei er es gewesen, der den Cuju-Ball damals nach China gebracht hat.

Schließlich durften wir uns nacheinander 14 (vierzehn!) Reden anhören, und wer das nicht glaubt, dem faxe ich gern eine Kopie der Rednerliste zu. Allerdings rate ich, vorher eine neue Faxpapierrolle einzulegen. Alternativ besorgen Sie sich, damit die E-Mail auch Platz hat auf Ihrem Bildschirm, einen dieser schicken Passt-nur-durch-herrschaftliche-Flügeltüren-oder-Start-up-Garagentore-Macs, vor denen sämtliche Grafikdesigner entlang der Seidenstraße so gerne pittoresk lümmeln. Von den Rednern ist mir ebenfalls nur mehr der bambuskauende Pandabär in Erinnerung. Dann waren weitere 3000 Jahre vergangen, nur zum miteinander Reden blieb leider keine Zeit mehr. Was aber nicht so schlimm war, weil wir vom vielen Dialog ganz schön müde waren.

© SZ vom 27.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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