Sack Reis:Und sonst? Nix. Ach so

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Wenn man einen Blick in den Whatsapp-Chat des elfjährigen Sohnes wirft, ist man gerührt von soviel Unschuld. Doch spätestens bei der nächsten Geburtstagsfeier merkt man dann, dass es damit wohl bald ein Ende haben dürfte.

Von Kai Strittmatter

Neulich hatte Kind Nummer eins Geburtstag. Der elfte, ein großer Geburtstag, einer, an dem das Kind "was mit 'i'" geschenkt haben wollte, also was mit hinten Apfel drauf, und nach etlichen Gewissensqualen der Eltern auch geschenkt bekam. Das war der Tag, an dem es quasi zum Mann wurde, nämlich zu einem, der jetzt auch eine Whatsapp-ID hat. Kind Nummer eins postet jetzt, im Klassenchat.

Wir Eltern mussten schwören, dass wir nicht heimlich in den Chat hineinspitzeln, irgendwie loggte sich meine Frau dann aber aus Versehen mal ein, nun können wir berichten, dass der Klassenchat der Fünften in der Deutschen Schule Peking schon noch ein paar Schritte von den schlimmsten Ecken des Darknets entfernt ist. Typische Konversationen dort legen Zeugnis ab vom Staunen der menschlichen Kommunikation über sich selbst: "Hey - Smiley - Einer da? - Hey - Ich - Ich - Ach so - Ich auch - Was geht? - Hey - Alles klar? - Ja - Alles klar - Smiley - Ok - Und sonst? - Nix - Ach so - Smiley - Bis dann". Bei der Geburtstagsfeier dann blitzte schon eine Ahnung davon auf, dass es mit der rührenden Unschuld allmählich ein Ende hat.

Die Organisation solcher Partys allein! Wir sind Expats, also Luxusmigranten. Teil des Expatlebens ist das Geburtstags-Wettrüsten. Unser Einstieg war einst der dritte Geburtstag unseres Ersten, damals in Istanbul, den eine befreundete Mutter organisierte: Wir feierten mit unseren Söhnen einen Doppelgeburtstag. Irgendwann stolperten und rollten ungefähr drei Dutzend Dreijährige durch den Garten der Bekannten, gejagt von Clowns, Zauberern und Musikern, die Luftballons zu Schwertern und kleine Kinder zu Gremlins kneteten. Höhepunkt war das Anschneiden der Torte, was unsere beiden Geburtstagskinder zum Anlass nahmen, eine Prügelei über die Spielzeugautos auf der Torte zu beginnen, woraufhin sich das Fest mit viel Gekreische in eine Kinderkrippen-Generalprobe von Dantes "Inferno" verwandelte. In späteren Jahren dann lud die eine Familie ins Trampolinzentrum und die andere zum Bogenschießen, was die dritten mit Lasershooting konterten und die nächsten mit Gokartfahren, also das mit den richtigen Motoren, dem echten Gestank und den am Ende tatsächlich blutenden Eltern. Einfach nur Feiern zu Hause, so mit Reise nach Jerusalem und Kakao, das kennen Expatkinder praktisch nicht.

Wir gingen mit unserem Elfjährigen bowlen. Kegeln auf Amerikanisch. Eher konservativ. Dafür durften die Kinder danach bei uns übernachten. Ich weiß nicht, ob das auch so ein Expatding ist, aber es gibt praktisch nur noch Übernachtungspartys. Auch hier ist eine Eskalation nicht zu übersehen: Ein Klassenkamerad lud kürzlich gleich zu zwei Mal übernachten, 48-Stunden-Sause. Wir beließen es bei einer Nacht und schmissen die Kinder am nächsten Morgen raus. Komplett übermüdet schlurften sie davon - einer hatte Energydrinks in unser Haus geschmuggelt und die Runde um Mitternacht noch mal ordentlich aufgeputscht. Ich hatte den Jungs am Abend zuvor die Türe aufgehalten und den Schmuggel nicht bemerkt.

"Was ist dein Wlan-Passwort?" fragte Nummer eins noch beim Überqueren der Türschwelle. "Wo kann ich hier meine Drohne starten?" Nummer zwei. Und Nummer drei deutete in die Ecke: "Dürfen wir mit eurem Feuerlöscher spielen?" Oh, dachte ich, wie höflich, er fragt noch. Wird wohl das letzte Mal gewesen sein.

© SZ vom 24.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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