Sack Reis:Passt scho

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Vieles ist von einer Sprache in eine andere praktisch nicht übersetzbar. Schwarztee ist in China roter Tee. Aber es gibt schöne Überschneidungen.

Von Kai Strittmatter

Manchmal ist Schwarz auch Rot. Unser Schwarztee zum Beispiel heißt in China hong cha, "roter Tee". Manchmal sind die Schwarzen also die Roten. Oder umgekehrt. Kapitel Wesensverwandtschaft. Sprich: der Chinese und der Bayer.

Es zeichnet das chinesische Volk nämlich eine extrem lässige Herangehensweise an die Dinge aus, deren Essenz in dem Begriff cha bu duo destilliert ist. Das Interessante an dem Wort ist, dass es im Deutschen dafür nicht wirklich eine Entsprechung gibt, wohl aber im Bayerischen: Cha bu duo ist nichts anderes als "Passt scho". Wörtlich heißt cha bu duo "es fehlt nicht mehr viel" - eine Feststellung, die in Restdeutschland für gewöhnlich als Ansporn zum Endspurt empfunden wird. In Bayern wie in China hingegen erfolgt sie meist als Ausruf von Zufriedenheit, als stolzer Schlusspunkt hinter aller Anstrengung.

Im Übrigen: Beim Biertrinken hat der Chinese den Bayern längst überholt. Und was Oktoberfeste angeht, hat China eh mehr, in der Regel wird dort zu den Klängen von philippinischen Cover-Bands noch großzügiger gekotzt als in München. Außerdem stellen beide Völker die Familiennamen vor den Vornamen. So wie es den Bayern nach dem Seehofer Horst verlangt, so lässt sich der Chinese vom Xi Jinping triezen.

Überhaupt ist es interessant, dass beide Völker, die Bayern wie die Chinesen, sich bei all ihrer naturgegebenen Gelassenheit jeweils von einem recht unentspannten Politbüro regieren lassen. Hier wie dort regiert DIE PARTEI seit Menschengedenken. Hier wie dort gönnt sie sich, des Anscheins wegen, eine nur auf dem Papier existierende Opposition. DIE PARTEI hält ihr Land für den Gipfel der Evolution, sich selbst für das Land und ihre Herrschaft bis ans Ende der Zeit für ein Naturgesetz. Hier wie dort huldigt DIE PARTEI einem verstorbenen gottgleichen Übervater mit Doppelkinn und Vorliebe für fettes Schweinefleisch. Hier wie dort ist ihr demonstratives Frömmlertum in Wirklichkeit eine hinterfotzige Scheinheiligkeit, die man ihr von all ihren Lastern allerdings am wenigsten übel nehmen mag, weil sie oft mit gesundem Pragmatismus einhergeht.

DIE PARTEI bedient sich gerne des ihr hörigen Zentralen Staatsfernsehens, um ihre Botschaft unters Volk zu bringen, die da lautet: Mia san mia (auf Chinesisch: you zhongguo tese), und wenn der Rest der Welt unserer Gnade teilhaftig werden möchte, dann nicht ohne vorherige Genehmigung des Zentralen Komitees für die Steuerung des Aufbaus der geistigen Zivilisation bzw. des Ständigen Ausschusses für abendländische Leitkultur. (Eines von beiden habe ich soeben erfunden, raten Sie mal, welches). DIE PARTEI stellt gerne ihre Stärke zur Schau, neigt aber in jüngerer Zeit zum Patzigen, was große Verunsicherung nahelegt: In ihrem Inneren wird DIE PARTEI von Angst verzehrt. Sie fürchtet in China wie in Bayern das Eindringen "feindlicher ausländischer Kräfte", von denen sie die "traditionellen Werte", in Wirklichkeit aber wohl ihre eigene Herrschaft bedroht sieht.

Im Übrigen sollte man die Parallele nicht zu weit treiben. Die KP Chinas lässt Andersdenkende einkerkern, das würde der CSU nicht im Traum bzw. höchstens mit den Koalitionspartnern einfallen. Auf der Plusseite kennt die KP keinen Söder. Was das nun wiederum für ihre Überlebensfähigkeit bedeutet, mag jeder für sich selbst entscheiden.

© SZ vom 30.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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