Sack Reis:Einmal Kaffee mit Ölstange bitte

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Wenn etwas von China die Welt erobern kann, dann die Küche. Allerdings ist das Frühstück gewöhnungsbedürftig.

Von Kai Strittmatter

Frage an den Kolumnisten: Ist es wahr, dass China drauf und dran ist, die Welt zu erobern? Antwort: Ja, puh, eher nicht. Wobei zumindest aus kulinarischer Sicht Chinas Weltherrschaft ja durchaus zu begrüßen wäre. Hat sich diese Nation doch mit quasi religiöser Inbrunst über 3000 lange Jahre ein wahres Wunder herbeigedämpft, -gedünstet und -gesotten. Und nachdem die existierenden Konfessionen zuletzt doch einen eher schlechten Lauf hatten, böte sich die chinesische Küche geradezu an als Sinnstifterin, sie hätte schon das Zeug zur neuen Weltreligion, Paradies auf Erden inklusive. (Ein großer Teil der real existierenden Chinarestaurants in Deutschland erfüllte in dem Fall den Straftatbestand der Blasphemie und würde seiner gerechten Bestrafung anheim geführt. Ewige Höllenqual etc.)

Zwei Nachteile allerdings hätte das Modell aus Sicht des gemeinen Europäers. Erstens die Nachtische: Da ist China praktisch Totalausfall. Der Chinese ist kein Süßer, er begnügt sich mit einem Happen roter Bohnenpaste ab und an (Man nehme Chili con carne bloß ohne carne, drehe das Ganze durch den Fleischwolf, rühre drei Esslöffel Zucker unter und fülle damit wehrlose Ravioli und Germknödel, so ungefähr). Und zweitens das Frühstück. Das unterscheidet sich in China nämlich für das Auge des Nutelladeutschen oft kaum vom Abendessen. Nudeln mit Rindfleisch, gebratener Reis, Tofupudding mit Sojasoße, gedämpfte und gekochte Teigtaschen. Das ist immer nahrhaft und oft köstlich, setzt aber einen trainierten Magen voraus. Lauwarmer Reisbrei ist nicht jedem das ideale Sprungbrett in den Tag. Wobei der Reisbrei (zhou) durchaus etwas für sich hat, sobald man ihn mit etwas Salzgemüse oder einem tausendjährigen Ei veredelt. Ein beliebtes Schnellfrühstück ist die Kombi Sojamilch und Youtiao, die Übersetzung "Ölstange" wird dem Charme des Snacks nicht ganz gerecht: Es sind in Öl herausgebackene Teigstangen, der Schmalznudel verwandt.

Neulich war ich beim Skifahren. Hier eine Auswahl der kalten Gerichte, die frühmorgens auf dem Buffet standen: in Tee eingelegte Eier, Bambussprossen in Chiliöl, scharfe Glasnudeln, Spinat mit Knoblauch, Shitakepilze, Blaukraut- und Rettichsalat, Sushi. An warmen Gerichten gab es dies: gebratenen Chinakohl mit Chili, gedünsteten Kohlrabi, scharfen Tofu, Brokkoli, frittierte Kartoffelplätzchen, Pommes, weiße Bohnen in Tomatensoße, gebratene Würstchen (in Weiß, Rosa und Gelb), gedämpfte Süßkartoffeln, gebratene Nudeln, Spaghetti Bolognese, Salami-Pizza, Frühlingsrollen, Käsekroketten, panierte Shrimps. Es gab ein Dutzend Sorten großer und kleiner Teigtaschen (Baozi und Dim Sum), gefüllt mit Gemüse, Krabben oder Fleisch. Es gab auch eine Suppenstation, wo man sich aus sechs Gemüsesorten, acht Gewürztöpfchen (Koriander, Knoblauch usw) und 14 Sorten von Pickles und Chilis selbst eine heiße Nudelsuppe komponieren konnte. Statt Nudeln konnte man auch Wonton wählen. Gefüllt mit Shrimps oder mit Schweinefleisch.

Die Pekinger Familie am Nebentisch hatte sich für eine Komplettverkostung entschieden und war kaum auszumachen hinter ihren Tellern, der zehnjährige Sohn belegte sich die Pizza unter anderem mit Spaghetti und Pommes. Wie gesagt: um halb acht Uhr morgens. Ich mag das inzwischen. Nicht Pizza, nein, aber Reisnudeln in scharfer Brühe zum Cappuccino, mit etwas Übung geht das. Kitzelt wach.

© SZ vom 25.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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