Politisch korrekt schenken:Ein Baumsparvertrag! Wie schön.

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Manchen Ökos sind selbst Öko-Geschenke zu materiell. Also verschenken sie etwas ethisch Unbedenkliches wie zum Beispiel einen Baum in Paraguay oder ein Lama. Zumindest theoretisch.

Petra Steinberger

Wir hatten uns das immaterielle Schenken schwieriger vorgestellt. Über Jahrzehnte dasselbe Ritual, so sind wir nun mal alle sozialisiert. Kerzen leuchteten, und da lagen Pakete unter dem Baum. Als ganz kleines Kind bekam man viele Pakete, später wurden sie weniger, aber in jedem Fall waren es immer verpackte Sachen. Nicht immer geschmackvoll, aber sie knisterten schön beim Auspacken. Es folgten Augenverdrehen, Überraschung, große Freude, das Ganze war ein sinnlich-haptisches Großereignis. Geschenkpapier türmte sich und wurde am Schluss sorgfältig gefaltet und für das nächste Jahr weggeräumt - eine Art Recycling im Überfluss.

Mein virtueller Baum, abgeheftet im Ordner Nachhaltigkeit. (Foto: PR)

Irgendwann rissen sie plötzlich ein; schamhaft kleine Röllchen aus Buntpapier. Kinder versprachen darauf fünfmal Rasenmähen oder dreimal Babysitten, in der oftmals berechtigten Hoffnung, dass ihr Versprechen nie eingefordert werden würde. Großtanten schenkten solche Gutscheine, weil sie sich nach dem letztjährigen Desaster nicht mehr trauten, ihren persönlichen Geschmack der Verwandtschaft überzustülpen. In diesem, aber auch nur in diesem Fall war das eine gute, empathische Weihnachtsidee.

Und jetzt? Sind die Röllchen zurückgekehrt; als Dokumente der höchsten Stufe des ökologischen Bewusstseins. Denn irgendwann kommt auch Öko an seinen Umschlagpunkt, nach dem x-ten Öko-T-Shirt oder Holz-Nippes fühlt der Mensch sich auch nicht mehr korrekt; weil Anhäufung nun mal nicht mehr fein ist. Jedenfalls nicht in dieser Art.

Und so werden immer mehr von uns demnächst ein paar dieser Röllchen unter dem Weihnachtsbaum finden. Heute heißen sie nicht mehr Gutschein, sondern Zertifikat, und sie besagen zum Beispiel dieses: "Wir pflanzen für Sie einen Niembaum und pflegen ihn während der nächsten zwölf Jahre. Sie bekommen für Ihren Niembaum ein Bauminhaberzertifikat, das, genau wie Ihr Baum, mit einer fortlaufenden Nummer versehen ist, so dass sich genau feststellen lässt, welcher Baum welchem Eigentümer zuzuordnen ist." Das verspricht beispielsweise Global Forest, ein Unternehmen, das sich der ökologischen Bewirtschaftung verschrieben hat.

Dieser Niembaum, der übrigens ein schnellwachsender, immergrüner Laubbaum ist, steht nur leider weit weg, in Paraguay, was es ökologisch eher unsinnig macht, persönlich nach dem Rechten zu sehen. Für sentimentalere Baumumarmer gäbe es hierzulande Alleebäume beim Bund Naturschutz. Oder einen Baumsparvertrag. Oder einen GeschenkBaum "mit einer individuellen Geschenkurkunde sowie einem Schlüsselanhänger aus edlem Rosenholz, verpackt in einer Geschenkholzkiste" bei ForestFinance - als kleine haptische Erinnerung an alte Zeiten. Vermutlich vertrauen die Forest-Leute der neuen Virtualität des Schenkens noch nicht vollständig.

Anders herum läuft es bei Bienenstöcken: Wer träumte nicht schon mal vom eigenen, hatte allerdings Bedenken wegen der Bienen in nächster Nähe? Bei BeeGood kann man sein ganz persönliches Bienenvolk adoptieren, das vielleicht im übernächsten Dorf wohnt, und bekommt einmal im Jahr ein Glas Honig dazu. Wer sich langfristig so beschenken lässt, hat bald einen Bauernhof, ach was: Zoo zusammen; auf die ganze Welt verteilt.

Eisbären, Schimpansen und Elefanten als Eigentum

Eine Seeschildkröte sein, die wir nie sehen werden, die aber ohne uns nicht gerettet worden wäre, kann unser Eigentum werden. Ein Eisbär, der vielleicht auf die Weise etwas länger überlebt, oder ein Schimpanse, dem man so ein wenig Urwald erhält. Es kann das tägliche Elefantenfutter sein oder die Kuh, die die Milch gibt, die eine Großfamilie irgendwo in der Dritten Welt am Leben erhält. Und wir haben das Zertifikat dafür. Auch ein Lama wäre gerade im Angebot, für 150 Dollar bei Heifer International, ein Wasserbüffel für 250 Dollar, ein Kuhkalb für 500 Dollar, oder ein Haufen Küken für schlappe 20 Dollar. Darum kümmern werden sich arme Bauernfamilien irgendwo in Kamerun oder Indien oder auf dem peruanischen Hochland.

Allein - diese neuen Geschenke, fraglos alles wunderbare Projekte, bleiben virtuell. Die realen Besitzer sind meist weit, weit weg. Der ökologische Gedanke und die virtuelle Welt des Netzes sind hier endlich verschmolzen. Und das Moderne daran: Für unsere nachhaltigen, ökologischen, ethischen Weihnachtsideen brauchen wir nur Geld und einen Klick - aber keine Zeit, die wir sowieso nicht mehr haben. Es fehlt - das Knistern unter dem Baum, das Anlangen, jede Sinnlichkeit. Vermisst das jemand?

© SZ vom 10.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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