Politik:Keine Angst

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Warum ist die neue Partei AfD bei Wahlen so erfolgreich - obwohl so viele auf sie schimpfen? Ein Erklärungsversuch nach den Wahlen in Mecklenburg- Vorpommern.

Von Heribert Prantl

Viele kennen das Gefühl: Man ist schlecht drauf. Es ist alles Scheiße. In der Schule läuft es nicht gut. Früher war das anders. Mit dem neuen Lehrer kommt man nicht zurecht, er kümmert sich, so bildet man es sich zumindest ein, um die anderen viel mehr als um mich. Der beste Freund hat auch keine Zeit mehr, seitdem er die neue Freundin hat. Auf einmal hat man das Gefühl, man ist draußen, abgeschoben - und je mehr man das Gefühl hat, desto mehr stellt man sich selbst nach draußen. Man sucht sich andere Freunde, solche, die nicht in der Klasse sind.

In so einer Situation ist man anfällig für Leute, die diesen Ärger teilen, die sagen, dass alle Lehrer blöd sind und nichts verstehen; und dass die meisten Mitschüler Schleimer sind, die sich nicht mal was zu sagen trauen. Da muss man doch was dagegen tun, sagen diese Leute, es denen mal zeigen, richtig zeigen. Man müsste denen mal die Luft aus den Reifen lassen. Wenn man so schlecht drauf ist, dann ist es verführerisch, sich so einer Gruppe anschließen, in der alle glauben, dass sie benachteiligt werden - und die das ganze System, auch die Schule natürlich, dafür beschimpfen und ablehnen.

In der Politik, in der Welt der Erwachsenen, gibt es Parteien, die ganz ähnlich auftreten. Eine davon hat in Deutschland gerade viel Erfolg - sie heißt AfD. Das ist die Abkürzung für "Alternative für Deutschland". Bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern am vergangenen Wochenende hat jeder fünfte Wähler diese Partei gewählt. Es gibt offenbar viele Menschen, die sich benachteiligt fühlen, die den gewohnten Betrieb ablehnen, und die irgendwie wollen, dass es wieder so wird wie früher - weil sie vermutlich Angst vor der Zukunft haben.

Angst hat jeder; auch Angst vor Fremden. Eltern bringen ihren Kindern bei, dass sie nicht jedem Fremden trauen sollen. Das gehört dazu, wenn man die Welt verstehen und wenn man mit ihr zurechtkommen will. Eltern versuchen aber, ihren Kindern unberechtigte Angst zu nehmen. Sie versuchen, das Selbstvertrauen der Kinder zu stärken und die Ängste kleiner zu machen, indem sie viel erklären und ihre Kinder mit dem, was unbekannt ist, vertraut machen.

Eine Partei wie die AfD macht es genau andersherum. Sie mag keine Flüchtlinge, sie mag keine Menschen, die aus anderen Ländern nach Deutschland gekommen sind. Sie macht die Ängste vor ihnen nicht kleiner, sondern größer, und nutzt diese Ängste für sich - indem sie sagt, dass die Flüchtlinge schuld seien an all den Problemen, auch an dem Frust und dem Ärger, den man selber so hat; man müsse die Flüchtlinge deswegen schnell wieder loswerden.

Als Kind hat man oft Angst vor dem dunklen Keller. Dort leben Geister und Monster, heißt es. Was tun? Man kann über die Monster und über die Geister reden, man kann sich ausmalen, wie sie ihr Unwesen treiben, man kann die Monster sozusagen erschaffen. Man kann aber auch die Kellertür öffnen, auf diese Weise Licht herein lassen und zeigen, dass da gar keine Monster sind. Das wäre Aufklärung. Vielleicht erschrickt man vor einer verängstigten Maus, die Lärm macht. Vielleicht findet man, wenn man dann im Keller herumläuft, alles mögliche Zeug in alten Regalen und viel Gerümpel. Man kann sich zusammen daran machen, aufzuräumen und Ordnung zu schaffen. Da könnten alle zusammen helfen - in der Politik hieße das: alle Parteien. Das wäre viel nützlicher als jede Angstmacherei.

© SZ vom 10.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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