Philosophischer Alltag:Zuversichtsanleitung

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Auch Pessimisten wären lieber Optimisten. Ob ihnen dieses kleine Übungsheft wirklich weiterhilft? Kann es so einfach sein? Autor Martin Zips hat sich das Büchlein angesehen und die Probe aufs Exempel gemacht.

Von Martin Zips

Gelegentlich überfällt den Alltagsphilosophen ein schrecklicher, schopenhauerscher Pessimismus. Zum Beispiel, wenn er im Schaufenster seines Lieblings-Elektrohändlers einen 3-D-Drucker, eine Flugdrohne und ein Navigationsgerät entdeckt. Da denkt er sich dann zum Beispiel: "Mit dem 3-D-Drucker werden sich BÖSE Menschen bald SCHLIMME Waffen ausdrucken, mit denen sie von GPS-gesteuerten Kampfdrohnen aus anderen Menschen in den Kopf SCHIESSEN." Schon blöd, solche Gedanken, nicht? Eigentlich war der Alltagsphilosoph ja immer ein recht fröhlicher Typ.

Aber abends, wenn in seinem Wohnzimmer alle möglichen Schaufenster zu leuchten beginnen (Fernseher, Smartphone, Tablet), da geht es auch ihm an die Substanz: all die Kriege und Krisen, die Laster und Lügen, der Egoismus und Fanatismus - das schießt ihm noch morgens um fünf ins Kreuz. Nicht einmal die Schriften von Knausgård, Franzen oder Haas helfen jetzt weiter. Und wo ist eigentlich Paul Watzlawick?

Nun hat es der Alltagsphilosoph mit der "Bibliothek der guten Gefühle" versucht. Eine mehrere Heftchen umfassende Ratgeber-Sammlung zum Discounter-Preis. Behandelt werden Themen wie "Seelische Wunden heilen", "Frieden schließen mit dem eigenen Körper" oder "Mit schwierigen Zeitgenossen umgehen". Jeder Band: ein prall gefülltes Schulheft (A5, arithmetische Lineatur, Handschrift, Strichmännchen). Das Layout nach dem Motto: Scheiß auf den Powerpoint-Experten-Quatsch! Ich kritzel dir jetzt mal kurz die Magna Charta deines Lebens aufs Papier, o.k.?

In einfacher Sprache wird hier der Weg ins Glück geebnet: "Wieder Begeisterung empfinden!", "Sich selbst und andere lieben!", "Zorn positiv nutzen!" Die Heftchen - auf Französisch, Spanisch und Englisch gibt es sie schon länger - verkaufen sich wie geschnitten Öko-Brot. Unser Lieblings-Buchhändler hat ihnen sogar ein eigenes Regal geschenkt.

Der Umschlag des Übungsbandes "Optimismus" ist übrigens in Pink gehalten, obgleich bereits auf Seite 16 versichert wird, dass das Leben weder rosa noch grau, sondern vor allem bunt sei und die Wahl der Lieblingsfarbe Entscheidungssache. Kleine Geschichten wechseln sich ab mit simplen Schaubildern und Übungen. Macht schon Spaß. Aber ob's was bringt? Auf Seite 32 darf sich der Pessimist fünf "Antisorgenaktivitäten" ausdenken; auf Seite 45 soll er einen Teufelskreis durchbrechen. Und weil Pessimisten "über einen ärmeren, weniger umfangreichen Wortschatz verfügen als Optimisten" gilt auf Seite 35: Formuliere eine "positive Interpretation" mit "mindestens 50 Wörtern" zu folgendem Satz: "Sie wurden Opfer eines Unfalls, bei dem Sie bleibende Schäden davongetragen haben."

Am Schluss steht die Erklärung: "Von heute an schlage ich den Weg des Optimismus ein". Natürlich unterschreibt man das. Obwohl, "schlagen", das klingt jetzt schon echt sehr nach Opfer, Unfall und bleibenden Schäden, finden Sie nicht?

© SZ vom 10.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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