Männer:Männer aktuell, diesmal: Salman

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Mächtige Männer, die ständig von einer Entourage aus Sicherheitsleuten umgeben sind, führen ein unangenehmes Leben. (Foto: Illustration Jessy Asmus)

In dieser Geschichte tritt ein berühmter Schriftsteller auf, und der Personenschutz ist auch sofort zur Stelle. Der gilt aber nicht ihm, sondern seinem Schicksalsbruder.

Von Johanna Adorján

Salman Rushdie hatte einmal eine Buchvorstellung in Berlin. Das Buch war ein fantastischer Roman, wobei fantastisch hier schon auch meint, dass Geister vorkamen und Menschen mehrere Hundert Jahre alt wurden.

In der echten Welt war gerade wieder irgendwo ein Terroranschlag verübt worden, und weil die Terroristen vorgaben, im Namen Allahs zu handeln, waren die Erwartungen an Salman Rushdie an diesem Abend groß: Seit er selbst eine Fatwa überlebte, gilt er als Experte für islamistischen Terror, was einerseits unfair ist, weil er selbst sich nie für diese Rolle beworben hat, er ist Schriftsteller, andererseits verständlich. In Zeiten, in denen die Welt nicht leicht zu verstehen ist, sucht der Mensch halt nach Anleitung. Und Schriftsteller werden nunmal gerne für weise und erleuchtet gehalten, zumal wenn es Männer sind und aus dem Ausland.

Es war keine Überraschung, überall am Veranstaltungsort Polizei zu sehen und Personenschützer, gut erkennbar an ihren zwei Metern Körpergröße und dem Knopf im Ohr. Dass ich die Veranstaltung moderierte, beeindruckte am Künstlereingang niemanden. Stumm steckte ich längere Zeit in einem Vorraum fest, umringt von weiblichen und männlichen Beamten, die wahnsinnig ernst waren und, obwohl sie mich faktisch festhielten, taten, als sähen sie mich nicht. Mann, tat mir Rushdie leid, nach all diesen Jahren immer noch solch einen Sicherheitsapparat ertragen zu müssen.

Irgendwann stand ein freundlich aussehender Mann neben mir, der mir ebenso eingeschüchtert erschien wie ich von all dem superseriösen Walkie-Talkie-Gebaren. Wir lächelten uns kurz zu, während wir, wie ich annahm, auf das Eintreffen Salman Rushdies warteten. Irgendwann nickte einer der Beamten dem Mann zu, ein anderer hielt ihm die Tür in den Backstage-Bereich auf, und binnen Sekunden war er verschwunden und mit ihm der gesamte Sicherheitstross.

Ich ging dann auch hinein, niemand hinderte mich mehr, irgendwann trudelte dann auch Salman Rushdie ein, lässig spät, gut gelaunt und vollkommen allein. Der Personenschutz hatte gar nicht ihm gegolten, sondern dem freundlichen Herrn mit dem schüchternen Lächeln, einem dänischen Zeitungsredakteur, der damals die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen verantwortet hatte. Er war derjenige, der mit Bewachung zu leben hatte und zwar bis heute, überall, rund um die Uhr. Er war nach Berlin gekommen, um Salman Rushdie zu treffen, der ja dasselbe mitgemacht hatte und so etwas wie ein Schicksalsbruder war.

Doch als man nach der Veranstaltung noch in einem Restaurant zusammensaß - die Personenschützer hatten zunächst den Innenraum gesichert und sich dann an strategisch günstige Tische verteilt -, hatte Salman Rushdie überhaupt kein Interesse an ihm, fast erschien er ihm lästig oder das Thema, das der Däne ja unübersehbar mit sich brachte, vielleicht will man an so etwas wie eine Gefangenschaft nicht erinnert werden, wenn man endlich wieder frei ist. Den "Game of Thrones"-Schauspieler, der während der Veranstaltung Auszüge aus dem Roman gelesen hatte und der nun neben ihm saß, fand Rushdie jedenfalls unvergleichlich spannender. Irgendwann ging der Däne, ohne Gespräch. Und mit ihm leerte sich fast das gesamte Restaurant.

© SZ vom 07.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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