Luft und Liebe:Und mach die Jacke zu!

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Echt peinlich: Warum müssen Frauen ihre Männer immer bemuttern? Können sie sich nicht einfach ein Meerschweinchen kaufen?

Kleine Kinder brauchen Fürsorge. Ist es kalt, wickelt man ihnen eine Schal um, streicht ihnen übers Haar und winkt ihnen zum Abschied. Sind sie etwas länger fort, gibt man ihnen etwas zu essen mit. Abends achtet man darauf, dass sie sich die Zähne putzen.

"Wie siehst Du nur wieder aus?" - Frauen können nicht anders. (Foto: Foto: iStockphotos)

Sind die Kinder dann erwachsen, spalten sie sich in zwei Gruppen: 1. Jene Menschen, denen man weiterhin am Kragen herumfummelt, bevor man sie mit wohlmeinenden Ratschlägen aus der Tür schiebt - auch Männer genannt. 2. Jene Menschen, die keine klugen Ratschläge brauchen, weil sie selber so viele davon haben, dass es locker für zwei reicht - das sind die Frauen.

Was viele Frauen nicht verstehen wollen: Ein Mann ist kein Kind. Auch wenn er sich manchmal so benimmt. Nur weil er den Klodeckel offen und die Butter draußen lässt, bedeutet das nicht, dass er es nicht besser weiß.

"Hast Du die Schlüssel und das Geld eingesteckt? Ist die Jacke nicht zu dünn? Warum ziehst Du nicht die braunen Schuhe dazu an?", fragt sie und rückt dabei seine Krawatte zurecht. Später am Telefon informiert sie sich, ob er auch genug getrunken hat. Und Obst gegessen hat. Was es mittags in der Kantine gab ("Schon wieder Fleisch?!").

Warum kein Meerschweinchen?

Warum tun Frauen ihren Männern so was an? Können sie sich nicht ein Meerschweinchen zulegen, das sie betüteln können?

Wie würde eine Frau reagieren, wenn jemand so mit ihr sprechen würde? Sie würde sich schön bedanken, wenn Mutti jedesmal ihr Outfit scannt, bevor sie das Haus verlässt. Wenn sie ihr hinterherwinkt und aus dem Fenster brüllt: "Mach den Mantel zu und denk an deinen Termin beim Orthopäden, Schnuppelchen!"

Ein für allemal: Männer sind selbst in der Lage zu entscheiden, ob sie einen Schal brauchen oder nicht. Und wenn nicht, erkälten sie sich eben. So ist das Leben. Kein Grund, sie vor allem zu schützen.

Das war die eine Seite. Jetzt zur anderen:

Wer einmal einen kranken Mann erlebt hat, weiß, warum Frauen sich immerfort den Mund fusselig reden und Mützen über nackte Ohren ziehen: Das ist immer noch besser als ein heulendes Elend im Bett zu haben. Nur Masochisten nehmen das in Kauf.

Tor - trotz Schusswunde

Leider halten Männer nicht viel davon, auf sich zu achten. Untersuchungen sind was für Autos - sie gehen erst zum Arzt, wenn es etwas zu reparieren gibt. Hat es ihn dann erwischt, stellt er bereits mit einer harmlosen Sommergrippe das Leid Christi in den Schatten.

Sicher wäre es ungerecht zu behaupten, Männer seien wehleidig. Männer können sich nämlich unheimlich zusammenreißen. Vor allem, wenn sie mit anderen Männern zusammen sind. Etwa im Büro. Oder beim Fußball. Da würden sie selbst mit einer Schusswunde noch das Tor stürmen, bevor sie mit letzter Kraft die Arme emporreißen, in die Knie gehen ("Nur ein Kratzer, es geht schon!") und sich unter dem Jubel der Fans auf der Bahre hinaustragen lassen. "Guck dir den an", heißt es dann, "der ist hart im Nehmen".

Doch wehe, sie haben sich in die eigenen vier Wände geschleppt und die Tür hinter sich zugemacht. Da sieht die Sache schon anders aus. So ein Infekt wird ja nicht einfach ertragen. Hingenommen oder gar ignoriert. Dieser Zustand bringt sofortige Bettlägerigkeit mit sich und erfordert mindestens Pflegestufe 3.

Noch schlimmer sind leicht bis mittelschwer erkrankte Männer, die durch ihren Zustand nicht ans Bett gefesselt sind. Sie sind noch in der Lage, durch die Wohnung zu streifen und eine Spur grippaler Verwüstung zu hinterlassen: zerknüllte Taschentücher so weit das Auge reicht, ein Nasenspray hier, eine Wärmflasche dort.

Aber egal, ob Schnupfen oder Fleischwunde: Die Partnerin leidet mit - ob sie will oder nicht. Ein kranker Mann verströmt stets den Hauch des bevorstehenden Todes. Er benötigt mindestens so viel Pflege wie ein Säugling. Nur, dass der Säugling seine Bedürfnisse nicht exakt artikulieren kann. Ein Mann sehr wohl: "Hühnersuppe wäre toll. Mit frischem Biohuhn oder so". "Ich bräuchte noch diese Vitamin-C-Zink-Kapseln aus der Apotheke". Dabei handelt es sich exakt um jenes Präparat, das sie ihm seit Monaten zur Vorbeugung aufdrängt, er sich jedoch stets zu nehmen weigerte.

Am liebsten wäre es ihnen, die Partnerin würde Urlaub nehmen und sie rund um die Uhr pflegen. Auf den Hinweis, dass sie berufstätig sei, reagiert er mit Unverständnis: "Na und? Willst Du mich etwa allein lassen? Sag doch einfach, Dein Kind sei krank."

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In Würde erkranken

Das soll einer verstehen: Männer wehren sich mit Händen und Füßen gegen zu viel Fürsorge. Sie fühlen sich bevormundet, kontrolliert. Und das nur, weil man das Schlimmste verhindern will.

Sind sie jedoch krank, kann die Fürsorge gar nicht groß genug sein. Die Wohnung sollte sich in ein Lazarett verwandeln - die Schwesterntracht eingeschlossen.

Wenn Männer in krankem Zustand nicht so unerträglich wären, würden ihre Frauen sie in gesundem Zustand auch einfach in Ruhe lassen. Wer also nicht ständig bemuttert werden will, sollte entweder selbst auf seine Gesundheit schauen und endlich einsehen, dass zu einer ausgewogenen Ernährung mehr als Fleisch und Bratkartoffeln gehört. Dass Bier nicht ausschließlich als Durstlöscher und Wasser lediglich zum Waschen dient. Und dass die Wirkung von Vitaminen nicht auf einer Esoterik-Lüge beruht.

Oder er soll in Würde - und vor allem dezent! - erkranken und die Umwelt mit seinem Leidensweg verschonen. Kein theatralisches Röcheln, sobald jemand das Zimmer betritt. Kein Ausdruck mit der Überschrift "Mein letzter Wille", der wie zufällig auf dem Küchentisch liegt.

Dann wird das Bemuttern ganz schnell ein Ende haben. Endlich wieder selbst entscheiden, ob braune oder schwarze Schuhe. Ob Mütze oder Glatze. Ob Schal oder Brusthaar. Niemand, der an einem zupft und herumfummelt.

Nun gut, ein leises "So willst Du aus dem Haus?" wird ja wohl noch erlaubt sein. Wenn wir das nicht mehr dürfen, werden WIR nämlich krank...

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