Liebes Leben:Verfolgt von Bruno

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(Foto: N/A)

Menschen sind seltsam, die einen werden von der Angst geplagt, mitten in der Nacht stünde die Steuerfahndung im Schlafzimmer, die anderen träumen jede Nacht vom Trainer des Hamburger Sportvereins, Bruno Labbadia.

Von Franziska Storz

Ein Freund leidet seit geraumer Zeit unter einer Zwangsvorstellung. Er fühlt sich verfolgt. Von Bruno Labbadia. Eine frühere Nachbarin hatte ein ähnliches Problem mit dem Finanzamt: Sie erledigte zwar akribisch ihre Steuererklärung, schlief aber dennoch - aus Angst vor der Steuerfahndung - mit einem gepackten Koffer unter dem Bett. Aber Bruno Labbadia? Was ist an einem hart arbeitenden Fußballtrainer, der manchmal ein wenig zu gut frisiert aussieht, so bedrohlich?

Mein Bekannter kann es selbst nicht sagen, aber seit sein Verein, der VfB Stuttgart, von Bruno gecoacht wurde, ist der Mann für ihn ein rotes Tuch. In losen Abständen begegnet er ihm im Traum, immer nach einem bestimmten Muster: Wenn das Leben gerade verspricht, angenehm und schön zu werden, kommt Bruno vorbei. Immer. Eine Verabredung zum Abendessen mit einer Frau - Bruno serviert den Aperitif. Eine einsame Insel, Palmen, leuchtend blaues Wasser - Bruno in gestreifter Badehose am Strand. Neulich, vor dem großen Abstiegsschlager Hamburg gegen Stuttgart, träumte mein Freund, ein neuer Bond-Film laufe im Kino an. Er war so lange begeistert, bis ihm auffiel: Die Hauptrolle spielte nicht Daniel Craig, sondern . . . Genau.

Er ist übrigens nicht der einzige unter meinen Fußballfreunden mit Psycho-Tick. Der eine weigert sich nach jedem gewonnenen Spiel des FC Bayern, seine Socken zu wechseln. Denn es handelt sich ja um Siegersocken, sie könnten noch ein weiteres Mal Glück bringen. Der Mann ist übrigens über 40. Ein anderer Bayern-Fan beklagt derzeit ein gebrochenes Handgelenk. Bei der Champions-League-Niederlage gegen den FC Barcelona hat er aus Wut gegen eine Tischkante gehauen. Seine Frau denkt noch immer, es sei ein Sportunfall gewesen. Okay, war es ja eigentlich auch.

Jedenfalls ist es so: Entweder man ist Bayern-Fan, oder man hofft auf bessere Zeiten. HSV-Fans tun das angeblich seit den frühen 80er-Jahren. Fußball sei ein Wechselbad der Gefühle, heißt es. Für viele Fans, die ich kenne, stimmt das aber nicht. Das Gefühl ist fast immer dasselbe: nagende Enttäuschung.

Es heißt auch, Fußballprofis hätten die Sommerpause bitter nötig. Sie erholen sich da von ihren Blessuren, sie überdenken ihre Frisur oder machen ihren Führerschein nach. Aber viel dringender als die Profis brauchen die Fans in meinem Bekanntenkreis diese Ruhephase. Kein Abstiegskampf, keine hämischen oder mitfühlenden SMS immer samstags um 17.15 Uhr, kein uneinholbarer Bayern-Vorsprung. Für ein paar Wochen ist alles gut.

Nur mein Bekannter leidet. Weder die Traumdeutung noch die Psychoanalyse haben eine Erklärung für das Phänomen. Ob Bruno Labbadia als James Bond eine Frau aus seinem sozialen Umfeld verführt hat? Daran kann sich der Träumer nicht mehr erinnern. Selbstschutz, vermutlich.

© SZ vom 23.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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