Liebes Leben:Nichts als Gespenster

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(Foto: N/A)

Wenn die Großmutter in der Halloween-Nacht plötzlich verschwindet, stellen sich unserer Autorin fundamentale Fragen: Hätte die Oma im Zombie-Nahkampf eine Chance? Kann sie wenigstens schneller laufen als die Untoten?

Von Franziska Storz

Die Einzige, die den blödsinnigen, amerikanischen Terz um Halloween in unserer Familie wirklich ernst genommen hat, war meine Großmutter. Sie verschwand in der Nacht vom 31. Oktober. Eine Bekannte sah sie gegen 20 Uhr noch am Waldrand, dann verlor sich ihre Spur. Mein popkulturelles Hobbywissen über Geister und Zombies, das ich in meinem Leben durch Horrorfilme und Fernsehserien angesammelt hatte, half nicht gerade, mir weniger Sorgen zu machen. In der Halloween-Nacht, mit 86 Jahren, bei vier Grad und absoluter Dunkelheit allein im Wald? Da ist man doch ein gefundenes Fressen!

In Zombie-Filmen lernt man, dass Untote nur durch einen gezielten Kopfschuss zu erledigen sind. Kopf abhacken oder Schädel einschlagen hilft wenig, sie laufen einfach weiter. "The Walking Dead" lässt grüßen. Ich erinnere mich daran, dass meine Großmutter vor ein paar Jahren zwei ineinander verbissene Nachbarhunde mit einem Besen verprügelte und so voneinander trennte. Hätte sie auch im Zombie-Nahkampf eine Chance? Oder doch besser davonlaufen? Die Fortbewegungsart von Zombies sorgt seit geraumer Zeit für Streit unter Experten: Zombie-Puristen bestehen darauf, dass die Untoten nur in Schrittgeschwindigkeit vorwärtskommen, sie also schlurfen oder watscheln, keinesfalls aber rennen können. Die Oma und der Zombie wären also mit geschätzten drei Kilometer pro Stunde gleich schnell unterwegs.

Gegen 22 Uhr, die Großmutter blieb verschwunden, alarmierte ich den Teenager. Beim Teenager handelt es sich um meinen Cousin, der morgens gerne lebensgefährlich verkatert und in gestreifter Boxershorts, aber dennoch untot durch meine Wohnung läuft. Der Teenager war mit seinen maulfaulen, in Turnschuhen dahinschlurfenden Freunden und viel Kunstblut auf dem zerrissenen T-Shirt zu einer Halloweenparty aufgebrochen. Ich sammelte ihn - zu seinem Ärger, weil kurz vor dem Knutschdurchbruch - gegen Mitternacht ein, um die Oma im Wald zu suchen.

Auf der nebligen Fahrt an den Waldrand fiel mir dann zu allem Überfluss Dr. Ali Khan ein. Er berät die amerikanische Regierung in Katastrophenfällen und glaubt, es sei sehr nützlich, wenn sich jeder Haushalt mal prophylaktisch auf die Zombieapokalypse vorbereitet. Die bestechende Logik: Wer auf eine Zombie-Invasion vorbereitet ist, inklusive Waffen, Proviant, Versteck und Ganzkörper-Isolieranzug, der sei auch für "Hurrikane, Erdbeben, Terrorismus und Pandemien aller Art" bestens gerüstet. Wir halten an einer Tankstelle und kaufen Schokoriegel.

Die Oma wird gegen zwei Uhr von der dann doch gerufenen Polizei im Dickicht gefunden. Weitgehend unbeeindruckt und mit vielen Kiefernnadeln im grauen Dutt. Im Dorf erzählt man sich, man habe in der Halloween-Nacht Hilfeschreie aus dem Wald gehört. Geholfen hat kein Mensch. War ja schließlich Halloween!

© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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