Liebes Leben:Hochzeitszeit

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Bei nichts kann man besser in die seelische Versklavung geführt werden, wie bei der Frage "Willst du meine Trauzeugin sein?" Danach ist man in der Pflicht und fühlt sich für alles verantwortlich, was dem jungen Glück schaden könnte.

Von Franziska Storz

Nirgendwo funktioniert seelische Erpressung so astrein wie bei der Frage: Willst du meine Trauzeugin sein? Nachdem ich letztens mit dem Fahrrad in drei verschiedenen Baumärkten je ein letztes Exemplar "Stehtisch Husse Stella, 12,99" zusammengekauft hatte, wusste ich: Ab jetzt bin ich Diener. Ab jetzt werde ich für alles verantwortlich sein, was das Schicksal der Brautleute betrifft. Stehtisch-Stoffüberzüge, Blumendekoration, Lebensmittel-Intoleranzen, familiäre Unverträglichkeiten, Hochzeitszeitung, DJ und dann noch der Nervenzusammenbruch beim Brautkleid aussuchen. Ach so, Tagesordnungspunkt 135: Junggesellinnenabschied organisieren. Es wundert mich, dass mit der Sklaverei nicht auch gleich das Trauzeugenamt verboten wurde.

Wobei dieses Amt zweifellos auch für schöne Momente sorgt. Auf einer Hochzeit mit vegetarischem Menü stand ich nachts um drei im Burger King, weil ein Onkel bedrohlich unterzuckerte. Also schmuggelte ich in einer sehr teuren Handtasche sehr fettige Chicken Wings in den Saal. Ein anderes Mal galt es einen Brautvater zu stoppen, der sich bei der Rede in einer Fruchtbarkeitsmetapher verheddert hatte. Er hielt zwei Brüste aus echten Kohlrabis in den Händen und einen Rettich - das war der Penis - und erklärte so seinen dringenden Wunsch nach Enkelkindern. Der Mann nimmt mir heute noch übel, dass ich ihm vorzeitig das Mikrofon abgedreht habe. Als Trauzeuge kann man es niemandem recht machen und sich nicht einmal anständig besaufen.

Zum Dank darf man bei der kirchlichen Trauung eine Fürbitte vorlesen. Meistens sind diese Hochzeits-Gottesdienste geistlose Veranstaltungen, weil höchstens drei Prozent der Anwesenden fehlerfrei das "Vaterunser" mitsprechen können. Da mag die spießige Frage erlaubt sein, warum eigentlich trotzdem so viele Paare kirchlich getraut werden wollen? Die gängige Kneipenmeinung ist doch: Die Amtskirche ist furchtbar, die Kirchensteuer schrecklich und bei Menschen, die noch freiwillig in Kirchen gehen, handelt es sich um Verstörte oder Senioren, deren Demenzbetreuungseinrichtungen an Sonn- und Feiertagen geschlossen haben. Sicher, es gibt Gründe, der Institution Kirche den Rücken zu kehren. Aber: Warum dann ausgerechnet kirchlich heiraten?

So ganz ohne rituellen Beistand will dann offenbar doch niemand sein, an den neuralgischen Punkten im Leben. Im munteren Kreislauf aus Geburt, Taufe, Hochzeit, Krankheit und Tod. Deshalb basteln sich die Leute ihren Glauben als Patchwork-Kunstwerk zusammen. Eine Yogastunde für die innere Balance, ein Buddha-Zimmerspringbrunnen als Sinnbild göttlicher Macht und zwei aus der Kirche ausgetretene Trauzeugen für die Hochzeit. Aber manchmal hat die Dienstleistungsmentalität eben ihre Grenzen. Die Kirche ist kein Romantikspenderverein und ein Trauzeuge kein Leibeigener.

© SZ vom 27.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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