Kuriose Bestattungen:Aus Opa wird ein Diamant

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Über Jahrhunderte war das Sterben Sache der Kirche. Die Religion begleitete die Menschen mit Glockenläuten und Vaterunser bis ins Grab. Heute sind Bestattungen schon mal etwas ausgefallener. Manche Menschen lassen sich in die Luft sprengen oder zu Edelsteinen pressen.

Von Felix Frieler

Der heutige US-Außenminister John Kerry hat das bizarre Spektakel mit angesehen, Johnny Depp und Schauspieler-Kollege Bill Murray waren auch dabei. Am Abendhimmel über Woody Creeks in Colorado explodierten im Spätsommer des Jahres 2005 dutzende Feuerwerkskörper. Sie sprühten Funken in Blau, Weiß und Rot. Mehr als 250 Gäste beobachteten die Show aus einem Zelt mit durchsichtigem Dach. Darin drei aufblasbare Sexpuppen, ein ausgestopfter Pfau und ein Bisonkopf, wie eine Lokalzeitung damals zu berichten wusste. Was im ersten Moment klingt wie der Geburtstag eines schrulligen Millionärs, war in Wahrheit eine Bestattung. In den Raketen steckte die Asche des Autors Hunter S. Thompson.

Was extravagant erscheint, passt heute in beinahe jedes Trauer-Budget. Für 2000 Euro schießt der Berliner Bestatter Hartmut Woite die Asche von Verstorbenen laut Werbetext 300 bis 400 Meter in die Luft. Diese neuartige Form der Bestattung habe das Unternehmen für Menschen entwickelt, die das Besondere suchen. Und das Besondere suchen heute immer mehr Menschen.

Die Kirche hat das "Bestattungsmonopol" verloren

Für Frank Thieme vom Institut für Soziologie an der Ruhr Universität Bochum sind solche individuellen Beisetzungen Ausdruck einer neuen Erinnerungskultur. "Bis ins frühe 19. Jahrhundert hatte die Kirche das Bestattungsmonopol und die Gläubigen haben ihre ganze Trauer praktisch 'in die Hand Gottes' gelegt." Der Übertritt ins Jenseits, das ewige Leben. Der Herrgott würde es schon richten.

Heute haben die Kirche und ihr Trostversprechen ihre Alleinstellung im Bestattungswesen verloren. Das hat erhebliche Auswirkungen auf unseren Umgang mit dem Tod. Soziologen beschreiben das Verhältnis zu verstorbenen Freunden oder Angehörigen als eine "unkündbare Beziehung". "Wenn man sich Todesanzeigen anschaut, findet man Formulierungen wie: 'In unseren Herzen lebt er weiter' oder 'Für uns bist Du unsterblich.' Es gibt heute viel stärker den Wunsch, sich dauerhaft zu erinnern."

Im Umkehrschluss bedeutet das: Die Menschen machen sich immer mehr Gedanken darüber, wie man sich später an sie selbst oder an verstorbene Angehörige erinnern soll. Diesen letzten Eindruck versuchen sie über eine imposante Trauerfeier zu lenken. Einigen ist das deutsche Bestattungsrecht für ihre Wünsche zu streng. Hierzulande darf die Asche in der Regel nicht zu Hause aufbewahrt werden. Und ohne Sarg oder Urne geht ohnehin nichts.

Wem das nicht gefällt, der muss ins Ausland. In den Niederlanden zum Beispiel kann man seine Asche aus einem Heißluftballon auf die Erde rieseln lassen. Ein gefragtes Zielland ist auch die Schweiz: Hier kann man seine verbrannten Überreste in der Natur verstreuen lassen oder sie unter hohem Druck bei einer Temperatur von etwa 1600 Grad zu einem Diamanten pressen lassen. Eine Firma wirbt mit dem Spruch: "Ein Juwel von Mensch". Forscher zweifeln hingegen an der Seriosität solcher Angebote. In den USA habe es bereits Fälle gegeben, in denen sich die scheinbaren Erinnerungsdiamanten als einfache Industrieedelsteine entpuppten.

Solche Inszenierungen machen hierzulande nicht alle Bestattungsunternehmen mit. Oliver Wirthmann vom Bundesverband Deutscher Bestatter warnt davor, dass Trauernde von spektakulären Beerdigungen manchmal nur zum Schein getröstet werden. "Was im ersten Moment besonders einfallsreich daherkommt, kann zwei, drei Tage nach der Trauerfeier einen schalen Beigeschmack auslösen", sagt Wirthmann. Es sei die Aufgabe von Bestattern, das zu verhindern. Sie versuchen, gemeinsam mit den Angehörigen zu überlegen, was den Hinterbliebenen hilft, ein Andenken zu bewahren und vor allem, mit dem Tod des geliebten Menschen zurechtzukommen.

Konventionelle Begräbnisse mit Glockenläuten und Vaterunser seien manchmal besser geeignet, sagt Wirthmann. "Ein fester Ritus gibt den Menschen Klarheit in Zeiten der Erschütterung und das empfinden wir häufig als tröstend. Wenn es dann gelingt, zum Beispiel mit einer bildhaften Trauerrede, die Persönlichkeit des Verstorbenen unverwechselbar zu beschreiben, dann hilft das beim Trauern viel mehr als ein Knalleffekt."

Billig-Bestatter haben Konjunktur

Spätestens seit 2004 ist aber noch eine andere Größe bei der Wahl der Bestattungsform entscheidend geworden: das Geld. Im Zuge der Agenda 2010 hat die damalige rot-grüne Regierung das Sterbegeld abgeschafft. 525 Euro hatten die Angehörigen von Verstorbenen zuletzt als Zuschuss zu den Bestattungskosten von Krankenkassen erhalten. Inzwischen geben die Kassen nichts mehr dazu. Die Kostenfrage nach dem Tod ist seitdem für viele noch drängender geworden.

Billig-Bestatter haben seitdem Konjunktur. Einer von ihnen ist der Berliner Hartmut Woite, der Mann mit den Raketen. Auf seiner Website sargdiscount.de gibt es nicht nur Event-Beisetzungen, sondern auch - wie der Name schon sagt - Beerdigungen zum Kampfpreis. Dass er von Kollegen und Medien den Spitznamen Aldi-Bestatter bekommen hat, kümmert ihn wenig. Er findet, dass er mit seinem Geschäftsmodell Geringverdienern und Bedürftigen hilft.

"Eine Web-Bestattung kostet bei uns nicht ganz 600 Euro, mit allem drum und dran. Das läuft dann aber nur online und telefonisch. Die Angehörigen betreten nie mein Geschäft." Der Leichnam wird zu Hause abgeholt und in ein Krematorium nach Tschechien gebracht, die Asche bleibt vor Ort auf einem Friedhof. "Das läuft alles sehr pietätvoll", versichert der Unternehmer.

Verbrannt werden die Leichen in einem preiswerten Sarg aus Kiefernholz. "Wir haben auch schon mit Pappsärgen experimentiert", sagt Woite, "aber da gab es in den Krematorien zu viel Flugasche und die verklebt die Filter in den Schornsteinen."

© Süddeutsche.de/fri/mit Material von dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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