Kolumne Dreißignochwas:Ein Baby namens Schaklin

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Weit verbreitet bei der Namenswahl unter Akademikern: der "Emilismus". (Foto: imago stock&people)

Irgendwann kommt die Zeit, da kriegen die Freunde Kinder. Und diesen Kindern geben sie Namen. Entweder großbürgerliche Namen oder exotische - in jedem Fall aber sehr ambitionierte. Und was sagt man jetzt dazu?

Von Judith Liere

Der Mai war in meinem Freundeskreis ein geburtenstarker Monat, drei Mal habe ich "Ooooh!" zu niedlich verschrumpelten Neugeborenen gesagt. Jeder dieser neuen Menschen braucht einen Namen. Der Vorname ist der erste elterliche Versuch, dem Kind Individualität und Persönlichkeit zu vermitteln. Und natürlich ist ein guter Vorname auch der elterliche Wunsch, sich selbst mit einem möglichst coolen Kind zu schmücken. Ich finde das nicht verwerflich. Besonders, wenn das Kind noch ein Baby ist und noch gar nicht richtig weiß, wer es selbst eigentlich ist, darf man das ruhig ausnutzen und ihm, je nach Geschmack, Mützen mit Bärchenohren oder winzige Nirvana-T-Shirts anziehen. Die Zeit, in der das Kind lauthals nach rosa Tutus schreien oder alles hassen wird, was seine Eltern gut finden, kommt früh genug.

Keiner sagt: Seid ihr bekloppt, was für ein schwachsinniger Name!

In meinem Freundeskreis lassen sich drei Strömungen bei der Namenswahl feststellen. Der größte Teil bleibt dem Akademiker-Trend des "Emilismus" treu und nennt die Kinder großbürgerlich Paul, Anton, Karl, Otto, Paula, Marie, Sophie. Besonders bei Mädchen setzt sich außerdem ein Hang zu niedlichen Bullerbü-Namen durch: Lotta, Ida, Mathilda, Rosa. Das männliche Pendant dazu ist ein cooler Piraten-Name wie Jack, Fiete oder Rocko. Und dann gibt es noch die ausgefallenen Namen, die von Antiquiertem wie Nepomuk und Balthasar bis zu Friesischem wie Aafke und Ubbo reichen. Anders als die Bärchenmütze kann das Kind seinen Namen nicht in die Ecke werfen, wenn es findet, dass er nicht mehr zu ihm passt.

Mit großer Macht kommt große Verantwortung, die alte Spiderman-Regel gilt auch fürs Elternsein. Und doch gibt es immer noch Fälle wie den, der kürzlich aus Nordrhein-Westfalen bekannt wurde: Da nannten die Eltern ihre Tochter "Schaklin". Vielleicht vermeidet man so zumindest Situationen wie die, die einer Grundschullehrerin aus meinem Bekanntenkreis passiert sein soll: Sie wunderte sich, warum die kleine Françoise aus ihrer Klasse nie auf Ansprache reagierte, bis das Mädchen sie aufklärte: "Ich heiß' Frankeuse."

Je ausgefallener der Name ist, desto größer ist natürlich auch die Wahrscheinlichkeit von kritischen Anmerkungen aus dem Umfeld. Deshalb machen die werdenden Eltern aus ihren Plänen immer ein riesiges Geheimnis, selbst wenn sie sich schon vor der Zeugung verbindlich geeinigt haben, wie das Kind heißen soll. Denn wenn das Baby da ist und den "Ooooh!"-sagenden Freunden vorgestellt wird, sagt keiner mehr: "Seid ihr bekloppt? Was ist denn das für ein schwachsinniger Name!" Stattdessen reißt man sich höflich zusammen und lästert, sobald man aus der Tür ist.

© SZ vom 14.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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