Karoline Herfurth über:Anfang 30

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Im Hinterzimmer der Bäckerei in Berlin-Zehlendorf wird Kaffee in geblümten Porzellantassen serviert. Die Schauspielerin ist noch nicht richtig wach. Dafür redet sie aber ganz schön schnell.

Interview von Tanja Rest

Als man die Bäckerei in Zehlendorf betritt, steht Karoline Herfurth gerade an der Theke und kauft ein süßes Teilchen. Die roten Haare sind eher wirr, insgesamt sieht sie so aus, als sei sie noch nicht richtig lange wach. Dafür redet sie ganz schön schnell. Im Hinterzimmer wird der Kaffee dann in geblümten Porzellantassen serviert. "Och wie schön", findet sie, "so Berlin!"

SZ: Frau Herfurth, trifft es zu, dass Sie vor Ihrem 30. Geburtstag Ihren Kleiderschrank komplett ausgemistet haben?

Karoline Herfurth: Ja, stimmt. Ich war immer wahnsinnig überfordert, weil es so viele Trends gab, die ich alle toll fand. Irgendwann habe ich sogar angefangen, mit einer Stylistin zusammenzuarbeiten, weil ich so gar keinen eigenen Stil hatte. Und plötzlich war da das Gefühl, ich kann diese ganzen alten Sachen nicht mehr sehen. All die Klamotten, die man aufhebt, weil man denkt, man zieht sie noch mal an - ich wollte die raushaben. Hinterher war mein Schrank fast leer. Ich mag ja den Gedanken, dass du nur noch Sachen hast, die du wirklich benutzt. Das war ein befreiendes Gefühl.

Sie haben also noch mal Ballast abgeworfen, bevor Sie offiziell ins Erwachsenenleben eingecheckt haben.

Zunächst gar nicht bewusst. Aber hinterher habe ich gemerkt, dass es doch etwas miteinander zu tun hatte: Wenn die Zwanziger vorbei sind, weiß man idealerweise, was einem steht. Und mit dem Leben ist es genauso. Mit zwanzig ist irgendwie noch nichts entschieden, mit dreißig hat man sich zumindest schon mal auf den Weg gemacht. Insofern hatte diese Schrank-Aktion doch was Metaphorisches.

Muss man sich zu seinem Alter irgendwie verhalten oder sind das nur die Erwartungen der Anderen?

Puh, schwierig. Ich bin gerade damit beschäftigt, Vorstellungen von bestimmten Altersabschnitten über Bord zu werfen. Ich möchte das nämlich selber definieren. Jedenfalls habe ich nicht das Gefühl, jetzt bin ich Anfang 30, jetzt gehen bestimmte Sachen nicht mehr. Es ist eher so, dass sich das von alleine ergibt. Ich muss nicht mehr ewig um die Häuser ziehen. Weil das einfach wahnsinnig anstrengend ist. Früher habe ich total gerne getanzt und bin immer lange wach geblieben, das tue ich heute nicht mehr so. Und nach zwei Gläsern Wein höre ich in der Regel auf. Man merkt langsam auch, dass der Körper das nicht mehr so lässig wegsteckt wie früher.

Moment mal, was sollen jetzt die Vierzigjährigen sagen!

Ganz ernsthaft. Ich finde das einen großen Unterschied. Zum Beispiel merke ich, dass mein Gesicht nicht mehr ganz . . . - also, das entknittert sich morgens nicht mehr so schnell. Ich brauche auch länger in der Maske. Und ich kriege die ersten Falten. Da bin ich froh um meine Sommersprossen, weil man sie dann nicht so sieht. War übrigens schon immer praktisch, auch die Pickel sind nie aufgefallen.

Wenn Sie an sich als Kind denken: Welches Bild haben Sie da direkt vor Augen?

Ich sehe mich auf dem Land: Ich renne mit all meinen Geschwistern barfuß über die Wiese. Komisch, oder? Wo ich doch so ein Stadtkind bin. Aber wir hatten eine kleine Datsche im Umland von Berlin, da war ich in den Ferien und fast jedes Wochenende. Ich habe immer mein Taschengeld für die Fahrten aufgespart.

Waren Sie ein wildes Mädchen?

Teils, teils. Ich hatte schon in der zweiten Klasse einen Schminktisch, konnte aber auch ziemlich rabaukig sein. Ich war ein lautes Kind, nicht ängstlich, nicht schüchtern. Sehr willensstark. So richtig Nervenkitzel war nichts für mich, dafür war ich zwischenmenschlich mutig. Im Urlaub war ich am Strand die Erste, die auf der Decke der Nachbarn saß und bei denen die Kekse mitgefuttert hat.

Sie waren bestimmt eine gute Schülerin.

Ehrlich gesagt galt ich immer ein bisschen als Streberin, weil ich einfach gerne gelernt habe. Ich galt auch als Petze.

Als Petze, warum?

Weil ich keine Lust hatte, mir Sachen gefallen zu lassen. Ich hab's dann halt gesagt. Darum wurde ich später nie Zielscheibe von irgendwelchen Anfeindungen - ich hätte mich eben direkt gewehrt. Rückblickend finde ich das gar nicht so schlecht.

Haben Sie denn den ganzen Unsinn gemacht, den man als junger Mensch gemacht haben sollte?

Also für meinen Geschmack habe ich genügend Unsinn gemacht. Aber sich besaufen, kiffen, dick Party machen, das hat mich nicht interessiert; zu spät nach Hause kommen gab's bei meinen Eltern sowieso nicht. Und dann habe ich ja mit 15, 16 angefangen zu arbeiten.

Sie wirken auf mich wie jemand, der sehr versucht, es richtig zu machen.

(Foto: Dominik Butzmann/laif)

Wahrscheinlich. Aber was meinen Sie jetzt genau?

Sie hatten früh Erfolg, haben trotzdem Ihr Abi und die Schauspielschule gemacht und ein Studium begonnen. Tratsch liest man über Sie keinen. Für ein Foto, auf dem Sie Pelz tragen, haben Sie sich auf Facebook entschuldigt.

Vielleicht kommt man aus der Schublade, in der man zu Schulzeiten saß, nie wieder raus. Vielleicht gelte ich immer noch ein bisschen als Streberin.

Muss ja kein Fehler sein, dass man anständig durchs Leben kommen will.

Ich betreibe Dinge tatsächlich sehr gerne ernsthaft. Das Abi war eine Vernunftsache. Und wäre ich nicht auf die Schauspielschule gegangen, würde ich mich in meinem Beruf unfertig fühlen. Der Regisseur Rainer Kaufmann hat mir da auch sehr zugeraten: Mach das! Ich gehörte gar nicht zu den Besten auf der Schauspielschule, habe das aber nie bereut.

Sie wurden auf dem Pausenhof entdeckt. Ich dachte immer, dort hängen nur zukünftige Models rum.

Zu dieser Zeit gab es tatsächlich eine richtige Welle von Street-Castings, weil viele Filme mit Jugendlichen gemacht wurden. Die Agentin Franziska Schlattner hat mich entdeckt, reiner Zufall. Wir hatten hitzefrei, und ich war wahnsinnig genervt, weil die anderen nicht aus dem Tritt kamen und wir immer noch auf dem Schulhof rumhockten. Hätte ich mich da durchgesetzt, wäre das alles nicht passiert. Stattdessen bin ich eben zum Casting gegangen und habe eine Rolle in "Crazy" bekommen.

Und da wussten Sie sofort: Das kann ich gut, hier gehöre ich hin?

Es war nur eine ganz, ganz kleine Rolle, da konnte man kaum von Schauspielerei sprechen. Ich war 15 Jahre alt und sah aus wie elf - ein Kind am Rande zum Erwachsenwerden, mit sehr großen Augen. Für mich war "Crazy" ein Feriencamp, lauter Jugendliche und ein paar Betreuer. Das war eine Explosion der Eindrücke und Gefühle, wie eine erste große Liebe. Nach diesen zwei Wochen habe ich noch zwei Monate neben dem Telefon gesessen und gewartet, dass mich jemand anruft. Da musste ich Liebeskummer-mäßig lernen, dass die Energie, die sich beim Drehen aufbaut, im normalen Leben nicht anhält. Dass die meisten einfach weiterziehen an ein anderes Set.

Danach kam "Mädchen, Mädchen". Der Regisseur Dennis Gansel hat mir damals Ausschnitte gezeigt und gesagt: "Die da, die ist ein Riesentalent. Das wird mal eine ganz Große."

Hui. Ist ja ein Wahnsinnskompliment.

Und dann habe ich Sie Jahre später als Mirabellenmädchen in "Das Parfum" gesehen und gedacht: Der Mann hatte recht.

Ich habe mir damals über alles Mögliche Gedanken gemacht, aber dass das mal mein Beruf werden könnte . . . Das war so fern und unsicher, darauf hätte ich mich niemals verlassen.

Sie haben mit den Großen des deutschen Kinos gearbeitet. Bernd Eichinger, Helmut Dietl, Tom Tykwer, Caroline Link, nicht zuletzt Bora Dagtekin, dem Regisseur von "Fack ju Göhte". Was haben diese Leute in Ihnen gesehen?

Ich kann Ihnen sagen, was Helmut Dietl in mir gesehen hat. Normalerweise habe ich in den Komödien ja immer den ernsthaften Part gespielt, der komische Momente hatte. Dietl war der Erste, der mich von vornherein komisch besetzt hat, bei "Zettl". Er und Bully fanden, die Herfurth ist witzig. Es war genau der Moment, wo ich selbst gedacht habe, dass ich gerne mal lustig sein würde, vor der Kamera. Und dann haben wir's einfach probiert.

Hat Dietl Ihnen geholfen?

Das war ein ungeheuer präziser Regisseur. Er hat mir sehr genau gesagt, wann ich was machen soll und wie. Timing war bei ihm kein Zufall.

Dabei ist er ausgerechnet für diesen Film so verprügelt worden.

Ich mochte "Zettl" sehr gern. Ich fand ihn lustig, klug und spitzzüngig, eine starke Satire. Bestimmt kein optimistischer Film. Ich weiß nicht, wo genau Dietl da reingetroffen hat, aber wenn es so eine erboste Ablehnung gibt, muss er irgendeinen wunden Punkt berührt haben. Sonst wäre der Film einfach in aller Stille untergegangen.

Ihnen hat es nicht geschadet, Sie haben dann ja noch in der erfolgreichsten deutschen Komödie aller Zeiten mitgespielt.

Wie Bora darauf kam, mich für "Fack ju Göhte" anzufragen, weiß ich gar nicht mehr. Aber er ist ein Regisseur, der die Dinge voraussehen kann, mit einem sehr guten, wachen Auge. Und er fand auch, dass es lustig sein könnte mit mir. Bei ihm war es ganz anders als bei Dietl, da musste ich viel mehr aus mir selber schöpfen. Das war eine Feuerprobe für mich, ich war enorm aufgeregt, tatsächlich.

Haben Sie beim Spielen schon gemerkt, dass es funktioniert?

Nee, das war ja das Schwierige. Ich hatte gar kein Gefühl dafür: War das jetzt lustig oder nicht? Ich habe einfach Bora vertraut. Und dann war das hinterher ja tatsächlich zum Totlachen.

Wenn man Sie so sieht und reden hört, käme man nie auf die Idee, wie wahnsinnig komisch Sie sein können.

Doch, ich bin eigentlich sehr lustig.

Ah ja?

Ich bin lustig, tatsächlich.

In der Intonierung klingt das jetzt beinahe tragisch.

Weil es eben auch harte Arbeit ist! Wissen Sie, ich liebe Komödien. Ich bin auch ein unglaublicher Anhänger von Jennifer Aniston. Ich schaue "Friends" gerade zum fünften Mal. Ich kann der zugucken, ich weiß gar nicht, wie genau sie das macht. Komisch sein ist so ein unterschätztes Können, und ich bin froh, dass ich das bei Helmut Dietl und bei Bora endlich mal ausprobieren durfte.

Sie sind als Schauspielerin noch kein einziges Mal verrissen worden. Ist das etwas, das Sie noch vor sich haben?

Wahrscheinlich. Also, das kann passieren. Ich weiß nicht, wie das wäre, ich glaube, es würde mich definitiv treffen. Und vielleicht stimmt's dann auch, kann ja sein. Ich müsste eben damit umgehen lernen.

Dieses Jahr haben Sie sage und schreibe vier Filme im Kino.

Vier? Ach stimmt, ich habe "Fack ju Göhte 2" vergessen, den haben wir gerade abgedreht. Gefühlt kommt der erst nächstes Jahr, dabei startet er schon im September.

Laden Sie sich manchmal zu viel auf?

Es war schon hart, weil ich "Traumfrauen" und "Rico, Oskar und das Herzgebreche" parallel gedreht habe. 40 Drehtage in zwei Monaten in drei verschiedenen Städten. Die meiste Zeit habe ich im Zug verbracht, weil ich ja Flugangst habe. Andererseits: Wenn ich nicht zwei bis drei Sachen auf einmal mache, wird mir sofort langweilig. Typisch Sternzeichen Zwilling!

Bei "Rico, Oskar und das Herzgebreche" waren auch Henry Hübchen, Katharina Thalbach und Moritz Bleibtreu dabei. Sind die Drehpausen da so lustig, wie man sich das vorstellt?

Schon, aber ich wurde ich auch noch einmal zum aufgeregten Anfänger. Katharina Thalbach ist für jede Schauspielerin ein Idol; wenn man der begegnet, merkt man einfach, was einem noch fehlt. Dass da noch ne Menge rauszuholen ist - also hoffentlich. Es war auch so witzig, ich habe mit Henry Hübchen und Katharina Thalbach ein Selfie gemacht. Und wie sie sich dann darüber unterhalten haben, wie das jetzt ist mit diesen Selfies, der Henry Hübchen war total begeistert: "Man muss das jetzt machen, das ist total gut!"

Nebenher studieren Sie noch Politik. Im wievielten Semester sind Sie jetzt?

Das ist eine sehr gute Frage. Zurzeit bin ich Schläfer, also ist das mein . . . zehntes. Noch bin ich also in der Regelzeit für Teilzeit-Studierende.

Abschluss wann?

Wahrscheinlich in fünf Jahren. Wenn überhaupt.

Wie stellen Sie sich eigentlich Ihren vierzigsten Geburtstag vor?

Ich fände es ja schön, wenn ich bis dahin so eine Datsche habe wie die, wo ich immer die Ferien verbracht habe. Reicht was Kleines irgendwo, es muss nichts Schickes sein, nur eben mit Garten. Und meine gesamte riesengroße Familie kommt zu Besuch, das ist wichtig - wenn ich 40 bin, sollen bitte alle kommen! Wir sitzen dann im Garten und spielen Gesellschaftsspiele.

Gesellschaftsspiele, wirklich?

Das haben wir bei meinem letzten Geburtstag auch gemacht. Bis nachts um zwei, total toll. Ich kann mir nichts Besseres vorstellen.

© SZ vom 13.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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