Interview: Der Trend zum Club:"Es geht vor allem ums Ego"

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Die Elite ist wieder salonfähig: Wo die meisten draußen bleiben müssen, dürfen sich die drinnen als Auserwählte fühlen. Der Soziologe Michael Hartmann über die neue Sehnsucht nach Exklusivität und die Frage, wo Deutschland am vornehmsten ist.

Marc Felix Serrao

Michael Hartmann, 58, ist der bekannteste deutsche Elitenforscher. Seit Jahren beobachtet er in Deutschland eine Rückkehr elitärer Clubs und Kreise. Richtig gut findet er diesen Trend nicht.

Der Soziologe Michael Hartmann lehrt und forscht an der Technischen Universität Darmstadt und publiziert seit Jahrzehnten zum Thema (u. a. "Eliten und Macht in Europa. Ein internationaler Vergleich", Campus, 2007). (Foto: N/A)

SZ: Woher kommt die neue Sehnsucht der Deutschen nach Exklusivität, Herr Hartmann?

Michael Hartmann: Der treibende Faktor ist sicher die Verunsicherung in der gehobenen Mittelschicht: Menschen, die einen Hochschulabschluss besitzen und ein gehobenes Einkommen sowie einen gehobenen Status erwartet haben, stellen nun fest, dass das alles nicht mehr sicher ist. Das betrifft vor allem die Medien- und Kulturbranche und die Geisteswissenschaftler. Hier gibt es einen Trend, Grenzen zu errichten zwischen sich selbst und denen, die weiter unten sind. Das ist auch bei den neuen Clubs ein wichtiger Faktor.

SZ: Aber gerade in Deutschland hat sich nach dem Krieg doch eine ausgesprochen egalitäre Haltung entwickelt. Wann hat sich das geändert?

Hartmann: Nach '89. Da kam diese Stimmung auf: Wir sind wieder wer. Wir können auf Augenhöhe mitreden, zumindest mit den Franzosen und Briten. Dieses Denken zieht sich seither durch die höheren Etagen der Gesellschaft. Plötzlich ist die "Elite" wieder salonfähig. Und mit ihr die Clubkultur.

SZ: Was stört Sie daran, wenn sich die Leute mit Gleichgesinnten tummeln und den Kreis überschaubar halten?

Hartmann: Grundsätzlich nichts. Problematisch wird es, wenn auf diese Weise Macht und Geld verteilt werden. Nehmen Sie in Frankreich die Grandes écoles und den Jockey-Club de Paris oder in Großbritannien die vielen Clubs und Privatschulen. Das sind äußerst stabile Netzwerke. Sie zielen im Kern darauf ab, Vorteile zu akkumulieren und andere fernzuhalten. In Deutschland gibt es das in dieser Form noch nicht so oft. Aber wir holen auf.

SZ: Bringt ein Club noch andere Vorteile, abgesehen von Geld und Karriere?

Die etwas anderen Clubs
:Da könnte ja jeder kommen

Um das gemeine Volk aus einem Club auszuschließen, genügt ein Türsteher. Doch elitäre Netzwerke achten nicht auf Outfit, sondern auf Eignung. Und ihre Aufnahmebedingungen sind unerbittlich. Ein Überblick in Bildern.

Hartman n: Nehmen Sie diesen neuen Club in Berlin, das Soho House. Da geht es wohl vor allem auch ums Ego. Das Gefühl, vorne mit dabei und Avantgarde zu sein.

In ist, wer drin ist: Der Club Soho House in Berlin. (Foto: N/A)

SZ: Aber doch eher virtuell. Berlin ist arm, es gibt keine echte Oberschicht.

Hartmann: Das stimmt. Es gibt weder die Banker noch die Industriellen noch die alten Handelsdynastien. Es gibt Politiker und unendlich viele Medienleute.

SZ: Wo geht es wirklich elitär zu?

Hartmann: In Hamburg. Hier haben Sie die enge Bindung an Großbritannien, das Understatement, das alte Geld. Hier haben sie in Relation auch die meisten alten Clubs, den Übersee-Club, den Anglo-German Club und so weiter. Solche Strukturen gibt es anderswo nicht.

SZ: Was ist mit München?

Hartmann: Im Vergleich zu Hamburg ist München eher provinziell. Fahren Sie mal die Elbchaussee entlang, das ist jahrhundertealter Reichtum. In Grünwald ist das Geld ein paar Jahrzehnte alt.

SZ: Clubs wie die von Ihnen erwähnten gelten als konservativ. Zu Recht?

Hartmann: Für die Mehrheit stimmt das. Aber das, was neuerdings hochkommt, lässt sich politisch nicht mehr so leicht lokalisieren. Die Berliner Kultur- und Medienszene, auch die der Clubs, würde sich in der Mehrheit doch eher mittig oder links verorten.

SZ: Auch Linke sind gerne Elite?

Hartmann: Manchmal schon. Nehmen Sie die in den 70er Jahren entstandene Marxistische Gruppe. Materielle Vorteile gab es da gar keine. Dafür das Gefühl, allen anderen intellektuell haushoch überlegen zu sein. Wer mitmachen wollte, musste sich durch Lektüre-Prüfungen und abgestufte Mitgliedschaften erst als würdig erweisen.

SZ: Sind Sie als Professor Mitglied in einem Club?

Hartmann: Ich spiele samstags Fußball. Aber wir sind reine Freizeitkicker.

© SZ vom 06.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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