Glaubensbekenntnis:Religion ist Respekt

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Wiggerl Hagn, 75, ist Wirt des Löwenbräuzelts auf dem Münchner Oktoberfest und des Biergartens Hirschau im Englischen Garten.

Mir fällt auf, wenn ich mal in der Kirche bin und Lieder mitsinge: Die kann ich alle noch auswendig. Ich war als Kind mal in einer Klosterschule in Illertissen und bin streng katholisch erzogen worden, da bleibt ein bissl was übrig. Ich sehe den Sinn des Glaubens darin, dass man miteinander leben kann und miteinander gut auskommt, den anderen schätzt und ihm nichts antut. Ich bin nicht bigott, ich bin auch nicht der, der alle Tischgebete macht oder jeden Sonntag in die Kirche rennt. Aber ich lebe nach dem katholischen Glauben, und die Zehn Gebote sehe ich als Ausdruck der Menschenwürde und Menschenrechte an. Ich bemühe mich, danach zu leben. In jeder Glaubensrichtung ist enthalten, wie die Menschen miteinander umgehen sollen. Ob das jetzt der Islam ist oder der Buddhismus oder irgendeine andere Religion: Sie verkörpern eigentlich Regeln der Menschlichkeit und stehen für den Umgang miteinander.

Katholisch sein heißt aber nicht, dass man nicht auch andere Konfessionen akzeptiert. Überhaupt nicht. Die Art und Weise, wie die evangelische Kirche auf die Menschen zugeht, finde ich gut, weil sie eigentlich weise ist. Da ist kein Zwang, der ausgeübt wird. Beim katholischen Glauben hat man doch immer ein bissl ein schlechtes Gewissen, weil man nicht alles das tut, was man tun soll. Ich finde es blöd, wenn man sagt, der Herrgott von den Katholischen ist besser als der Herrgott von den Evangelischen. Das ist immer noch derselbe, sag' ich. Es gibt bei uns den schönen Witz, wo sich zwei Bauersfrauen unterhalten und die eine sagt: "Gehst du mit zum Wallfahrten nach Altötting?", "Naa", sagt die andere, "da gehe ich nicht mehr hin, ich gehe nach Birkenstein, die haben die bessere Mutter Gottes."

Ich unterstütze zum Beispiel auch die evangelische Kirchenküche im Münchner Norden, "Am Hart" heißt der Stadtteil. Die kochen dreimal in der Woche für Bedürftige: Obdachlose, alte Leute und solche, die sich keinen Lokalbesuch leisten können. Das Dreigangmenü kostet dort einen Euro. Das ist nicht geschenkt, weil man den Menschen sonst ein Stück von der Ehre nimmt, und außerdem ist's ja nicht so viel wert, wenn es nichts kostet. Diese Kirchenküche haben wir mit Geschirr ausgestattet und Töpfen und Besteck und Küchengeräten. Glauben ist für mich auch eine Sache der Gemeinschaft, nicht so sehr der Konfession.

Ich bin in der Nachkriegszeit mitten in der Stadt aufgewachsen und war kurzzeitig in der Heilig-Geist-Kirche sogar Ministrant. Bis mich der Pfarrer mal recht zusammengestaucht hat, weil er gehört hat, wie ich gesagt habe: "Ich bin doch keine Sau und hebe dem Pfarrer den Rock in die Höhe!" Danach bin ich nicht mehr hingegangen. Nicht aus Protest, sondern mehr, weil ich mich nicht mehr getraut habe. Wir haben damals, als alle Kirchen ziemlich zerstört waren, sammeln dürfen für den Wiederaufbau, und ich habe Bausteine verkauft für die Heilig-Geist-Kirche. Jedes Mal, wenn ich heute reingehe, freue ich mich, dass ich als Bub ein bissl was dazu beigetragen habe.

Wiggerl Hagn, 75, ist Wirt des Löwenbräuzelts auf dem Oktoberfest und des Biergartens Hirschau im Englischen Garten.

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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