Glaubensbekenntnis:Reinhard Marx

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Kardinal Reinhard Marx, 63, ist Erzbischof von München und Freising. Er ist Mitglied des Kardinalsrates, der Papst Franziskus berät. (Foto: Imago)

Papst Franziskus nimmt oft kein Blatt vor den Mund. Das gefällt nicht allen in der Kirche. Der Erzbischof von München und Freising verteidigt ihn: Für Reinhard Marx ist das Oberhaupt der Katholiken ein Mann, der heilsame Unruhe stiftet.

Wer mich persönlich inspiriert? Es ist sicherlich auch dieser Papst Franziskus, der heute 80 Jahre alt wird. Schon im Vorkonklave war mir der Kardinal von Buenos Aires aufgefallen. Er wirkte eher zurückhaltend. Aber seine kurze Rede über den zukünftigen Papst und die Herausforderungen der Kirche waren bedeutsam. Sie soll hinausgehen, die Kirche, nicht um sich selbst kreisen, sondern auf die Wunden der Welt schauen und den Menschen Hoffnung geben, durch Wort und Tat.

Er will das Evangelium in die Situation der Menschen hinein verkünden - als eine frohe, tröstliche, befreiende Botschaft. Da ist es notwendig, das Leben der Menschen zu kennen, die Spannungen und Verletzungen, das Scheitern und die Neuaufbrüche, das Versagen und die immer neue Hoffnung. Bei Jesus selbst kann man diese Linie immer wieder erkennen. Der Anspruch des Evangeliums wird dadurch nicht relativiert. Er wird erst wirklich spürbar und für die Menschen zum Angebot, ein neues Leben zu führen.

Als Papst Franziskus uns im Rat der Kardinäle vorschlug, auf zwei Synoden über Ehe und Familie zu sprechen, habe ich ihm gesagt: "Heiliger Vater, ich bin aristotelisch geprägt. Ich denke also, wir müssen erstens hinsehen, zweitens hinsehen, drittens hinsehen. Also die Realität wahrnehmen und dann lehren, sprechen und verkünden." So sah er das auch.

Papst Franziskus will etwas in Bewegung bringen. Den Jugendlichen hat er einmal zugerufen: "Macht Wirbel!" Er will heilsame Unruhe stiften. Das gefällt nicht allen. Er selber sagt dazu: "Die Zeit ist mehr wert als der Raum." Es ist wichtiger, Prozesse in Bewegung zu bringen, Perspektiven zu eröffnen, als alles auf einmal zu erledigen, den Raum zu besetzen und etwas zu beenden. Dieser Gedanke prägt sein Wirken und seinen Arbeitsstil.

Im Gespräch vermittelt er den Eindruck innerer Freiheit. Als Jesuit weiß er um die Notwendigkeit der Institution und der Ordnung. Aber in ihm ist eine Unruhe, die durchaus etwas Anarchisches hat: Wirbel muss sein. Er verbindet die notwendige Ordnung und Autorität mit dem lebendigen Spiel der Kräfte, das vieles noch einmal infrage stellt.

Und deswegen bleibt in den vielen Begegnungen, die ich mit Papst Franziskus habe, auch der Eindruck, dass dieser Mensch bei aller Offenheit, doch auch ein Geheimnis bleibt, wie im Grunde jeder Mensch. Papst Franziskus ist ohne Zweifel eine starke Persönlichkeit. Er hört auf den Rat vieler, aber entscheidet souverän und frei. Er ist neugierig auf die Welt, und zugleich tief verwurzelt im Glauben und im Evangelium. Mit ihm zusammenzuarbeiten macht große Freude.

Papst Franziskus steht zu seinen Zweifeln und Schwächen, er zeigt: Ein gläubiger Christ ist nicht von Zweifeln frei. Aber er hat dabei keine Angst. Er ist, so weit ich das erlebe, gerne Papst. Warum auch nicht? Er führt das Amt mit Freude und Zuversicht. Das ist gut für die Kirche, für die Welt. Ich hoffe und bete, dass ihm noch manches Jahr geschenkt wird. Die Welt braucht Menschen, die im guten Sinn Wirbel machen.

© SZ vom 17.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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