Glaubensbekenntnis:Katrin Göring-Eckardt

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(Foto: Florian Peljak)

Es gab für die ehemalige Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland genügend Gründe, an Gott zu zweifeln. Warum sie es nicht getan hat, hat gar nicht so viel mit ihrem Theologiestudium zu tun.

Protokoll von Hannes Vollmuth

Es gibt ein paar Orte, Steine und Bäume, die bedeuten für mich Heimat. Vieles davon liegt in Thüringen. Aber Heimat ist für mich auch mein Glaube. Mehr zu Hause fühlen als im protestantischen Glauben kann ich mich nicht.

1984 habe ich angefangen, in der DDR Theologie zu studieren, aber das war nur ein durch die DDR-Ideologie erzwungenes Ausweichmanöver. Ursprünglich wollte ich Lehrerin werden, doch meine eigene Deutschlehrerin hat mich gewarnt. Sie hat gesagt: Du kannst als DDR-Lehrerin nicht den Kindern etwas erzählen, woran du selbst nicht glaubst. Also habe ich dann wie viele andere Theologie studiert. Religiös wurde ich aber schon früher, in der Jungen Gemeinde, das war eine Jugendgruppe innerhalb der evangelischen Kirchen in der DDR.

Als ich 17 war, ist meine Mutter bei einem Autounfall gestorben. Durch die Zeit der Trauer hat mich der Glaube an Gott getragen. Ich hätte auch an Gott zweifeln können. Aber durch irgendeinen glücklichen Umstand ist das nicht passiert. Im Gegenteil. Ich war mir plötzlich sicher: Auch wenn die wichtigste Bezugsperson in meinem Leben jetzt fehlt, bin ich nicht allein.

Als ich dann in die Politik gegangen bin, ist meine Religiosität noch größer geworden. Für einen Politiker, der ständig kritisiert wird, ist es ja tröstlich und stärkend zu wissen, dass Gott da ist und da bleibt - auch wenn ich Fehler mache. Und ich weiß auch immer: Der nächste Karriereschritt, die nächste politische Entscheidung ist nicht das Wichtigste. Es gibt Wichtigeres.

Ich beginne meine Tage mit einem Bibelvers aus den Herrnhuter Losungen, das ist eine Sammlung von zufällig ausgesuchten Bibelversen. Da gibt es zum Beispiel mal einen total verrückten Bibel-Vers, mit dem ich gar nichts anzufangen weiß, dann wieder einen Vers, der mich trifft und nachdenklich macht. Aber nur zu Hause vor sich alleine hinglauben, das funktioniert für mir nicht. Ich brauche Menschen, mit denen ich zusammen beten kann. Deshalb ist der Gottesdienst am Sonntag so ein Fixpunkt in meinem Leben. Wenn ich Menschen von meinem Glauben erzähle, habe ich manchmal das Gefühl, ich spreche von einer komplett fremden Welt. Das ist auch unangenehm. Aber ich habe mich dafür entschieden, eine öffentliche Christin zu sein. Der Anstoß kam vor zwölf Jahren: Ich war zum ersten Mal Fraktionsvorsitzende und wurde sehr häufig angesprochen: Wie können Sie das vereinen, Glaube und Politik? Damals habe ich mir gedacht: Auch wenn es für viele Privatsache ist, ich will meinen Glauben nicht komplett für mich behalten. Glauben ist ja kein Seelen-Wellness. Man muss auch unbequeme Sachen tun. Manchmal ist es fast nicht möglich, zum Beispiel bei dieser Sache aus der Bergpredigt Jesus: Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin. Aber zumindest muss man es immer wieder neu versuchen. Und da steht ja auch: Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.

Katrin Göring-Eckardt, 49, ist Fraktionsvorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Von 2009 bis 2013 war sie Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

© SZ vom 24.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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