Glaubensbekenntnis:Gerlinde Kaltenbrunner

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Gerlinde Kaltenbrunner. (Foto: Imago)

Die österreichische Bergsteigerin hat als erste Frau alle 14 Achttausender ohne künstlichen Sauerstoff bestiegen.

Protokoll von Birgit Lutz

In unserer Region - im oberösterreichischen Spital am Pyhrn - ist man natürlich katholisch erzogen worden. Als junges Mädchen war ich Ministrantin, aber wenn ich ehrlich bin, freute mich das vor allem, weil unser damaliger Pfarrer hinterher mit uns Bergsteigen gegangen ist. Dadurch habe ich schon in jungen Jahren einen sehr intensiven Zugang zur Natur bekommen, habe gelernt, sie zu lesen und zu respektieren. Der Schöpfung gegenüber achtsam zu sein - das hat uns dieser Pfarrer mitgegeben. Im Grunde ist die Natur die echte Kirche für mich. In der Verbundenheit mit ihr kann ich ganz zu mir finden und die Göttlichkeit richtig spüren.

An diese Göttlichkeit, eine höhere Macht, glaube ich. Wir nennen sie Gott, andere Buddha oder Allah, aber letztendlich ist alles eins, denke ich. Mit manchen Regeln und Handlungen der katholischen Kirche kann ich nichts anfangen, da gibt es einiges, das ich nicht gutheißen kann. Unabhängig davon glaube ich an die Schöpfung. Ich glaube auch an das Gute im Menschen, an die wahre Liebe, die in jedem von uns wohnt.

Ich bete zweimal jeden Tag, morgens und abends. Erst lasse ich durch Meditation völlige Stille und innere Ruhe einkehren und dann halte ich ein Zwiegespräch. Gott ist dabei für mich nicht vermenschlicht, wie ich mir das als Kind noch vorstellte. Er ist etwas Kraftvolles, voller Licht und Liebe. Daraus schöpfe ich Stärke und Zuversicht.

Zur Meditation bin ich durch die Berge gekommen, weil ich dort eine Stille erlebe, in der ich ganz zu mir finde. Diese Ruhe wollte ich auch im Alltag für mich herstellen, auch wenn dort sehr viele Dinge auf einen einwirken und oft kaum Zeit bleibt, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und in sich hinein zu hören. Es gehört nun zu meinem Tagesablauf, mir Zeit und Ruhe für mich zu nehmen.

Am Dhaulaghiri, einem Achttausender im Himalaja, hatte ich gerade dieses Zwiegespräch beendet, als ein großes Schneebrett abging, das mich und zwei Spanier begrub. Lange habe ich mich gefragt, warum ich das überleben durfte und die beiden nicht. Die einzig sinnvolle Erklärung schien mir zu sein, dass meine Zeit noch nicht gekommen war. Ich darf noch hierbleiben. Dafür bin ich sehr dankbar.

Mit dem Tod allerdings wäre nicht alles vorbei, ich glaube an den Kreislauf der ewigen Wiederkehr. Als ich im Jahr nach dem Absturz meines Bergkameraden Frederik Ericsson wieder am K2 unterwegs war, spürte ich während dieser Expedition seine Anwesenheit. Für mich ist das tröstlich. Deswegen überlasse ich mich aber nicht einer göttlichen Fügung. Im Gegenteil, es spornt mich an, besser zu werden, nach meinen Werten richtig zu leben. Das gelingt nicht immer, beinahe jeder hat hohe Ansprüche an sich, aber wir sind eben Menschen mit Schwächen. Doch ich versuche, jeden Tag mit mir und meiner eigenen Entwicklung ein bisschen vorwärts zu kommen, um ein gutes, positives, zufriedenes Leben zu führen.

Gerlinde Kaltenbrunner, 44, ist eine österreichische Bergsteigerin. Sie hat als erste Frau alle 14 Achttausender ohne künstlichen Sauerstoff bestiegen.

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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