Fitness-Fachmesse "Fibo":Nation der Wohnzimmer-Sportler

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Seit Jane Fonda weiß jeder, dass Sport glücklich macht. Mittlerweile ist Fitness sogar beliebter als Fußball - das Angebot wächst weiter.

Martin Zips

Es begann Ende der siebziger Jahre mit der amerikanischen Schauspielerin Jane Fonda und der durch sie weltweit ausgelösten Aerobic-Welle. Für Sport, lernte das Fernsehpublikum damals, muss man gar nicht rausgehen. Man muss sich in keine klobigen Wanderstiefel zwängen oder dem Schlag des Tamburins folgen.

Immer schön fit bleiben - da freut sich die Krankenkasse! (Foto: Foto: AP)

Seit Jane Fonda weiß jeder: Auch wenn man sich in grellen, wurstpellenartig geschnittenen Kunststoffhosen im schlecht gelüfteten Wohnzimmer räkelt, ist das Sport. Noch nicht einmal richtig schwitzen muss man. Hauptsache glücklich.

Seitdem gibt es kein Halten mehr. Fitnesstraining, so behauptet der Wuppertaler Sportwissenschaftler Theodor Stemper pünktlich zur jetzt in Essen beginnenden Fitness-Fachmesse "Fibo", sei bei den Deutschen mittlerweile sogar beliebter als Fußball. 7,07 Millionen Menschen mühten sich in 6000 Fitnessstudios regelmäßig an Lauf- und Gummibändern ab - unorganisierte Stadtpark-Jogger und teleskopstabwandernde Senioren sind hier nicht eingerechnet.

Deutsche Fußballvereine indes zählen laut Stempers Studie nur noch 6,68 Millionen Mitglieder, also weniger. Vielen von ihnen gehe es gar nicht um Fitness, sondern um einen Sitzplatz beim nächsten Heimspiel. Von der neuen Sehnsucht nach Bewegung profitiere das gesamte Land, freut sich Stemper, "denn wenn das so weitergeht" - das habe er mal durchgerechnet - "sparen die Krankenkassen bis zu 16 Milliarden Euro". Zumindest auf lange Sicht, drei Viertel der Bundesbürger nämlich seien sportlich weiterhin "eher unaktiv". 40 Prozent der 50- bis 59-Jährigen schafften keine drei Stockwerke hintereinander auf der Treppe, schätzt er.

Solche Studien gelten gemeinhin als weites, womöglich sogar vermintes Feld. Ihr Anspruch auf Genauigkeit genügt nicht immer den strengen Methoden, die beispielsweise für die Zeitmessung beim 100-Meter-Lauf anzulegen sind. Fest steht allerdings, dass das Angebot auf der Essener Fitness-Messe, die von kommendem Samstag an auch von Nichtfachleuten besucht werden darf, mit 560 Ausstellern aus 38 Ländern nie größer war. Fibo-Sprecher Mike Seidensticker beziffert das Plus auf stolze 60 Prozent, verglichen mit dem Jahr 2005.

Vor allem Produkte aus dem Bereich "Best Ager", also für ältere Menschen mit Zeit und Geld, und "XXL", also für Menschen mit zu vielen Pfunden, würden immer mehr nachgefragt. Viele der Geräte, die in Essen vorgestellt würden, hätten ihren Ursprung in der Bodybuilder-Szene, sagt Seidensticker. Jedoch gehe es der überwiegenden Zahl ihrer Benutzer keineswegs mehr darum, sich einen Bizeps Schwarzeneggerschen Ausmaßes heranzuzüchten. Die Mehrheit suche einen gesunden, womöglich lebensverlängernden Ausgleich zum stupiden Rücken, Gemüt und Herz belastenden Bürojob.

Nicht überraschend daher, dass sich Heb-, Lauf- und Streckgeräte aus den Bereichen Fitness und Physiotherapie immer mehr einander angleichen. Weitere Trends: Laufbänder ohne Motor; Geräte, die sich von selbst auf die Körpermaße ihrer Benutzer einstellen; das antibakterielle Saunatuch für mehr Hygiene auf der Holzbank.

Ob der sportliche Mensch die Bewegung im schlecht gelüfteten Innenbereich oder in der feinstaub- sowie gelegentlich aschehaltigen Freiluft bevorzugt, spielt laut Sportwissenschaftler Stemper letztlich keine Rolle. "Dem Muskel ist es egal, wo er trainiert wird", lautet sein bedenkenswerter Rat. "Der Mensch sollte ihn dort bewegen, wo es ihm am besten gefällt."

© SZ vom 22.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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