Ferrán Adriàs "El Bulli" schließt:Zum letzten Mahl

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Molekularkoch Ferrán Adrià lässt Gnade walten: Sein legendäres Restaurant "El Bulli" ist zwar für immer geschlossen, doch die Marke darf weiterleben - in völlig neuer Form.

Javier Cáceres

Es sollen, wie Eingeweihte berichten, zum Abschied die Pfannen erklungen haben. Zwölf Mal schlugen, um Punkt zwölf Uhr nachts, Dutzende Köche auf die gußeisernen Tiegel und symbolisierten das vorläufige Ende eines Gasthauses, das wohl wie kein zweites den Übergang der Kochkunst vom 20. ins 21. Jahrhundert repräsentiert.

Der Molekularkoch Ferrán Adrià feiert seinen Abschied vom Restaurant "El Bulli" im katalanischen Roses - für immer. (Foto: Reuters)

El Bulli, das Restaurant von Ferrán Adrià, hat als solches seine Pforten geschlossen - und unterzieht sich, wie Adrià selbst sagt, einer grundlegenden Verwandlung: Ab Oktober wird aus El Bulli eine Stiftung. Dort soll nach neuen gastronomischen und kulinarischen Konzepten und Rezepten geforscht werden, die Erfindungen sollen im Internet Verbreitung finden. Das Gebäude, das die Stiftung beherbergen wird, soll 2014 eröffnet werden.

Der katalanische Koch, der jährlich 8000 Gäste bewirtete und massenweise Reservierungswünsche ablehnen musste, hatte zum Abschied enge Freunde eingeladen. Für ein letztes Mahl, das aus 50 Gängen bestand und von einer ähnlich großen Zahl an Jüngern verspeist werden durfte, die wiederum an der Entstehung des Essens aktiv beteiligt waren.

Etwa 2000 Köche haben sich irgendwann einmal in El Bulli verdingt, stellvertretend dafür waren einige der besten Sterneköche der Gegenwart zugegen und halfen Adrià, flüssige Kroketten, Rauchschaum, Thaigarnelenhirn und weitere Köstlichkeiten zu kredenzen. Andoni Luis Aduriz etwa, Joan Roca oder der Däne René Redzepi, der aktuell als Koch weltweit Beachtung findet: "Ich danke El Bulli dafür, die Vorstellungskraft von ihren Fesseln befreit zu haben", sagte Redzepi.

Trotz des Erfolgs habe sich El Bulli gezwungen gesehen, "eine kopernikanische Wende" zu vollziehen, wie es Adrià nannte. Klar, man hätte vier oder fünf Jahre weitermachen und Abendessen servieren können. Aber das wäre "mit unserer kreativen Dynamik nicht vereinbar gewesen." Adriàs Bruder Albert habe gar angeregt, "das Monster zu töten". Er selbst habe dem widerstanden: "Wir müssen das Monster beherrschen."

Vom Minigolf-Café zum Michelin-Stern

Entstanden war das El Bulli vor einem halben Jahrhundert: 1961 hatte ein deutsches Ehepaar nahe der katalanischen Kleinstadt Roses einen kleinen Minigolfplatz errichtet und diesen einige Jahre später um ein Restaurant erweitert, das bereits in den 70ern von sich reden machte. Damals sorgte der französische Koch Jean Louis Neichel für den ersten Michelin-Stern.

1984 übernahm Ferrán Adrià den Posten des Küchenchefs, ging angeblich eigenhändig im Morgengrauen auf Fischfang - und stellte nach und nach die Gastronomie auf den Kopf. El Bulli wird zum Epizentrum einer schließlich global zu spürenden Erschütterung. Nicht nur medial wird Adrià geadelt: Im Jahr 2007 ist El Bulli sogar Teil der Kasseler Documenta, weil das Restaurant "eine künstlerische Erfahrung" sei, wie der Documenta-Direktor Roger M. Buergel erklärt. Immer wieder ist Adrià gefragt worden, ob er vom Erfolg müde sei. Er leugnet das. "Ich brauche keine Pause, es geht hier sofort weiter."

© SZ vom 01.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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