Familientrio:Wann sind Kommentare über ein Baby rassistisch?

Sie ist weiß, er schwarz. Nun sagen andauernd Menschen zu ihnen, dass ihre Kinder bestimmt hübsch werden. Nett gemeint, aber trotzdem rassistisch? Unsere Erziehungsexperten antworten.

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Die Leserfrage

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Quelle: sylv1rob1/Fotolia.com

Freunde von uns haben gerade geheiratet, sie kommt aus Deutschland und ist weiß, er kommt aus Nigeria und ist schwarz. Nun sagen andauernd Menschen zu ihnen, dass ihre Kinder bestimmt ganz besonders hübsch aussehen werden. Das ist mit Sicherheit nett gemeint - aber ist es nicht trotzdem auch rassistisch? Jovita R., Passau

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de

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Kirsten Fuchs

Kirsten Fuchs

Quelle: Stefanie Fiebrig

Das ist ein Fall von positivem Rassismus, ähnlich wie der Satz: "Schwarze haben Musik im Blut." Klingt nett, geht aber davon aus, dass sich alle Menschen mit einer gemeinsamen Eigenschaft, noch dazu oft einer optischen, ähneln. Wie absurd das ist, zeigt sich, wenn man andere Sätze versucht: Alle Brillenträger sind klug. Für Menschen, die Rassismus selbst nicht erleben und darum oft kein tiefes Verständnis davon haben, wie nachhaltig er das Leben einschränkt, ist positiver Rassismus erst recht schwer zu verstehen. Wer aber immer über seine Hautfarbe definiert wird (dazu gehört leider oft, dass man kriminalisiert wird, einen Job nicht bekommt, in Verdacht gerät, seine Kinder zu beschneiden, seine Frau zu schlagen, ein Drogendealer zu sein), dem geht es vielleicht auf den Keks, dass nun gerade er oder sie angeblich besonders schöne Kinder machen sollen, mit niedlichen Locken. Denn wenn sie größer werden, kriegen sie den Job nicht, also ist das eher bitter als süß. Da liegt ein langer Weg vor uns, und es liegt schon so ein langer Weg hinter uns, und vielleicht sind wir im Kreis gelaufen. Und es ist einfach sacknervtötend, jeden Tag wieder Rassismus erklären zu müssen, aber es hilft ja nichts, solange Menschen wegen Äußerlichkeiten privilegiert oder nicht privilegiert sind, sind Äußerlichkeiten ein heikles Thema. Auch für Komplimente.

Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit Tochter, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kinder- und Jugendbücher, außerdem Theaterstücke und Romane. Ihr bekanntestes Buch ist die "Mädchenmeute". Fuchs steigt als Nachfolgerin von Kirsten Boie neu in das Familientrio ein.

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Jesper Juul

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Quelle: Anne Kring

Bemerkungen wie diese gründen in der Tat manchmal in einer Art von Rassismus. Aber in unserer Kultur sind solche Kommentare manchmal die einzige Möglichkeit, unsere Sorgen auszudrücken. Die meisten "braunen" Kinder werden irgendeine Art von rassistischem Mobbing erleben. Die Eltern sollten dem Kind am besten helfen, ein gutes, gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln. Das wird ihm im Alltag mehr helfen als alles andere. Ich hoffe, auch Sie sind bereit, das Kind zu unterstützen, wenn es solche Probleme bekommt.

Jesper Juul ist Familientherapeut in Dänemark. Er hat zahlreiche Erziehungsratgeber geschrieben, darunter den in 14 Sprachen übersetzten Bestseller "Dein kompetentes Kind".

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Collien Ulmen-Fernandes

Collien Ulmen-Fernandez

Quelle: Anatol Kotte

Das erinnert mich an eine brasilianische Freundin, die ein großes Faible für blonde Haare hat und sie bei jeder Gelegenheit bleichen lässt. Sobald sie ein blondes, deutsches Paar sieht, fängt sie an, leise zu jauchzen und sich das kleine, blonde Baby auszumalen, das da wohl bald das Licht der Welt erblicken werde. Natürlich ist das auch irgendwie rassistisch, aber so lieb rassistisch, dass man sie dafür niemals verurteilen könnte. Mir persönlich wäre es furchtbar peinlich, vor Ihrem befreundeten Paar darüber zu mutmaßen, ob und wie das erwartete Baby denn aussieht, obwohl es ja noch nicht mal eins gibt (- oder?). Ich finde Baby-Beauty-Projektionen nämlich grundsätzlich immer peinlich, egal ob die Eltern schwarz, weiß oder gelb sind, denn sie führen im Umkehrschluss zur Diskriminierung von schiefen, lauten oder asymmetrischen Babys. Wenn schon Moralkeule, dann bitte im Sinne der Kinder, die noch nicht mal geboren sind und jetzt schon einem Schönheitsideal entsprechen müssen. Meiner Meinung nach ist das so, als würde man sie pränatal schon bei Instagram anmelden.

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter hat mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama".

© SZ vom 02.12.2017/afis
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