Erfahrungsbericht:"Kleine Sätze, große Träume"

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Ein Gespräch mit Ute Mickerts aus Stuttgart, die selbst vor Jahren das Opfer eines professionellen Online-Schwindlers geworden ist. Nun berät sie seit 2008 in einem Selbsthilfeforum im Internet andere Geschädigte.

Von Hannes Vollmuth

Ute Mickerts aus Stuttgart, selbst Opfer eines Schwindlers, führt seit 2008 ein Selbsthilfe-Forum im Internet.

SZ: Sind Love-Scamming-Opfer naiv?

Ute Mickerts: Die Frauen sind nicht dumm, die Täter sind nur unheimlich sensibel und psychologisch sehr geschickt. Sie imitieren das Verhalten aus intakten Beziehungen und installieren bei ihren Opfern mit kleinen Sätzen große Träume. Bald überweisen sie Geld, weil sie an die Liebe glauben.

Wie schaffen sie es, sich so schnell in die Herzen ihres Opfers einzuschmeicheln?

Sie lullen die Frauen ein. Jeden Tag gibt es nette Mails, davon werden die Opfer abhängig. Plötzlich ist da jemand, der einen versteht. Der Täter isoliert das Opfer von Freunden und Familie, indem er sagt: "Die verstehen unser Glück nicht." Ich habe mit mehr als 1500 Frauen gesprochen: Oft wusste die Familie nichts davon.

Was weiß man über die Täter?

Sie gehören der sogenannten Nigeria Connection an, organisierten Banden. Die jüngsten sind zwölf Jahre alt, die ältesten Ende 20. Man vermutet die Hintermänner in Europa und den USA.

Sind auch Männer betroffen?

Ja, sie erhalten Sex-Nachrichten von Frauen aus Osteuropa. Frauen zahlen am Ende mehr Geld, aber bei Männern geht es schneller. Weil sie sich stärker schämen, gehen sie selten zur Polizei.

Wie erkennt man Love-Scammer?

Englisch ist meist ihre Zweitsprache, deshalb schreiben sie etwa oft das Wort "I" (ich) klein oder "iternity" statt "eternity" (Ewigkeit). Oft werden Nummern benutzt, bei denen es scheint, als ob sie aus England anrufen, in Wahrheit ist es eine Weiterleitung nach Westafrika. Ich würde auch jedem raten, den Namen des Dating-Partners zu googeln, am besten mit dem Zusatz "Love-Scammer"

© SZ vom 10.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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