Bunte Tierwelt:Ein Fest der Farben

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Kea und Kakaop, Purpurhuhn und Scharlachsichler: Ein wunderbarer Bildband über die Geschichte der Vogelillustration.

Von JOACHIM KÄPPNER

Ornithologen genießen den Vorteil, dass von den Objekten ihrer Wissensbegierde wenig Gefahr ausgeht. Anders verhält sich das in der Welt der Säugetiere, wo, nur zum Beispiel, das Nilpferd auf ungebetenen Besuch sehr leicht mit "wilder, ungeheurer Wuth" reagiert, wie schon Alfred Brehm feststellen musste. Adler, die den Eierdieb aus der Steilwand stoßen, oder jene Krähen, die in Innenhöfen Berliner Ministerien aus rätselhaften Gründen Beamte anfallen, sind in der Vogelwelt die rare Ausnahme. Gewiss, es kann vorkommen, dass eine naturkundliche Expedition sich in den Bergen Neuseelands ohne Scheibenwischerblätter, Reifenventile und andere abknabberbare Utensilien jeder Art wiederfindet: Dann haben Keas, außerordentlich gewitzte Papageien, dem Team in der Nacht einen Besuch abgestattet.

In Neuseeland lebt übrigens auch ein sehr entfernter Verwandter des Keas, dem es an vergleichbaren mentalen Fähigkeiten in beklagenswertem Maße mangelt. Das ist der Kakapo, ein flugunfähiger, in seiner Einfalt anrührender Papagei, heute der Ausrottung nahe wegen der von den Europäern eingeschleppten Katzen, wie es der britische Autor Douglas Adams voller Mitleid beschrieb: "Er hat überhaupt keinen Begriff davon, dass irgend etwas auf die Idee verfallen könnte, ihm wehzutun, also neigt er dazu, völlig verwirrt in seinem Nest hocken zu bleiben." Aber Entschuldigung, wir schweifen ab.

Kea und Kakapo und viele andere Papageien gehören zu den schönsten Motiven des neuen, kommende Woche erscheinenden Bildbandes: "Vögel - Geschichte und Meisterwerke der Vogelillustration", herausgegeben von Jonathan Elphick. In diesem Buch zeigt der Haupt-Verlag Schätze aus der Bibliothek des Londoner Naturkundemuseums, einschließlich 36 schöner Faksimile-Blätter wie den Abbildungen auf dieser Seite (224 Seiten, 59 Euro). Das Buch ist nicht nur herrlich anzusehen mit seinen Hainparadiesschnäppern und Frühlingspapageichen, Schafstelzen und Purpurgimpeln, Gelbwangenkakadus und Lord-Howe-Purpurhühnern. Er bietet auch einen Gang durch die Geschichte, und nicht allein jener der Tierillustration, sondern auch des Verhältnisses des Menschen zur Natur und ihren Geschöpfen.

So erzählt es von der Faszination, welche die Vögel seit der Antike auf Künstler ausübten: Schon um 2600 v. Chr. zeigen ägyptische Fresken mehrere Arten von Gänsen; der Ibis wurde gar als Inkarnation des Gottes der Weisheit und Wissenschaft verehrt. Die Handschrift "Von der Kunst, mit Vögeln zu jagen" des Stauferkaisers Friedrichs II. gilt als eines der ersten Werke, welche Flug und Verhalten analysieren. Mit dem Zeitalter der Entdeckungen begannen sich ein Lesepublikum und die Wissenschaft zu Hause für die exotischen Tiere aus der Ferne zu interessieren. Forschungsreisende standen indessen vor dem Problem: Wie sollten sie ihre Beobachtungen festhalten und übermitteln? Es gab weder Fotografie noch ein Mittel, erlegte Vögel einigermaßen erhalten über die Ozeane zu bringen. Die Lösung war mühselig, aber lohnend: naturgetreue Zeichnung und Malerei. Welche von Exzentrik nicht freie Mühsal dieses Vorgehen bedeutete, beschrieb der 1860 geborene Naturkundler George Edward Lodge, ein verträumter, etwas aus der Art geschlagener Spross einer reichen britischen Familie aus der Grafschaft Lincolnshire: "Ich arbeitete den ganzen Tag im Tiefschnee, oder ich fuhr mit Schlittschuhen hinaus aufs Eis und malte, bis es zu kalt war, sodass ich eine Pause machen und Schlittschuh laufen musste, bis der Kreislauf wieder hinreichend in Gang gekommen war, um mit der Arbeit fortzufahren."

Die Vogelillustration ist bis heute ein blühendes Genre, etwa in Naturführern und Bestimmungsbüchern. Ihre modernen Vertreter wie Roger Tory Peterson (1908-1996) verstehen sich auch als Fürsprecher und Bewahrer einer bedrohten Natur. Manche der Vögel in diesem Buch gibt es gar nicht mehr, oder sie sind, wie der Kakapo in seinen bewachten Schutzgebieten, vom Aussterben bedroht. Vielleicht hilft dieses schöne Buch, dem kleinen dicken Tollpatsch und seinen Gefährten ein solches Schicksal zu ersparen.

© SZ vom 07.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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