B:Bots

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(Foto: Steffen Mackert)

Für die Verbreitung von Falschnachrichten im Internet gibt es raffinierte Programme. Aber wie gefährlich sind die Bots im deutschen Wahlkampf?

Von Andrian Kreye

Wer hat eigentlich die politische Debatte im Netz so versaut? Im amerikanischen Wahlkampf wurden Bots als einer der wirkungsvollsten Störfaktoren identifiziert. Man kann sich einen politischen Bot vorstellen wie einen schwerst alkoholisierten Pöbler, der bei einer Wahlveranstaltung Blödsinn herumkrakeelt. In einer Filmkomödie wäre das eine lustige Szene. In der Politik sind Pöbler ein Problem. Deswegen sind die Bots häufig in den Schlagzeilen. Selbst Angela Merkel hat vor ihnen gewarnt.

Bot ist die Abkürzung von Robot, dem englischen Wort für Roboter. Prinzipiell sind sie kein Problem, sondern digitaler Alltag. Nach einer Untersuchung von Incapsula, einer Firma für digitale Sicherheit, ist im World Wide Web der Anteil an menschlichen Nutzern inzwischen auf unter die Hälfte gesunken. Fast 52 Prozent aller Aktivitäten werden von Bots ausgeführt. In den sozialen Netzwerken ist der Anteil noch nicht so groß, steigt aber. Gerade in Zeiten politischer Kampagnen.

Technisch sind Bots ganz einfach programmierte Algorithmen, die im Internet bestimmte Aufgaben automatisieren. Sie sammeln Daten für die Werbung oder Suchmaschinen, bündeln Informationen oder sorgen dafür, dass der Datenverkehr reibungslos läuft. Bots verbreiten allerdings auch Spam, greifen im Dienste von Hackern sensible Daten ab oder legen einzelne Rechner oder ganze Netzwerke mit Angriffen lahm.

Politische Bots sind etwas raffinierter konstruiert. Immerhin sollen sie die öffentliche Debatte beeinflussen. Man kann solche Programme inzwischen dazu bringen, sich als Nutzer zu tarnen und politische Botschaften nicht nur im Streuverfahren zu verbreiten, sondern mit menschlichen Nutzern so etwas wie eine Unterhaltung zu simulieren. Sie können aber auch mit Falschnachrichten gefüttert werden, die sie in Umlauf bringen (siehe auch F wie Fake News). Das funktioniert vor allem auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Dort waren im amerikanischen Wahlkampf rund ein Viertel aller Tweets Nachrichten von Bots.

In den USA benutzten im Wahlkampf beide Seiten solche Netz-Automaten. Auch im deutschen Wahlkampf kommen sie zum Einsatz. Einer der erfolgreichsten Tweets über Angela Merkel, der fälschlich vorgab, sie fordere, Deutsche müssten die Gewalt von Einwanderern ertragen, war von einem Bot in Umlauf gebracht worden. Spricht man mit Leuten, die im Dienste von Behörden oder Sicherheitsfirmen stehen, ist die Gefahr auch hierzulande groß. Unterhält man sich mit Wissenschaftlern wie Simon Hegelich von der Hochschule für Politik an der TU München, klingt es für die Bundestagswahlen nicht mehr ganz so dramatisch.

Schon im Frühsommer veröffentlichte er die Ergebnisse einer Untersuchung von drei Millionen Tweets, die ergab, dass zwischen März und Mai zwar zehn Prozent solcher Kurznachrichten zum Thema Merkel und fünfzehn Prozent zum Thema Schulz von Bots generiert wurden. Wenige Wochen vor der Wahl stellt er aber fest: "Es gibt im Verlauf des Wahlkampfes durchaus eine deutliche Zunahme an Bot-Aktivitäten, hauptsächlich auf Twitter, es gibt aber keinerlei Hinweise darauf, dass sich diese Nachrichten wie in den USA in der Bevölkerung tatsächlich verbreiten oder dass da ein manipulativer Effekt entsteht."

Die "Lügenpresse"-Kampagnen verfangen hierzulande nicht so wie in den USA

Dafür gibt es einige gute Gründe. Einer die wichtigsten ist für Hegelich: "Es liegt stark daran, dass über das Thema viel berichtet und aufgeklärt wurde und sich die Leute nicht manipulieren lassen." Dazu kommt ein größeres Vertrauen in die traditionellen Medien. Die Washington Post zitierte neulich mit neidischem Unterton eine Studie der Uni Würzburg, dass die "Lügenpresse"-Hetze in Deutschland einen umgekehrten Effekt gehabt habe und das Vertrauen von 2015 bis 2016 von 33 auf mehr als 55 Prozent gestiegen sei. In den USA vertrauen dagegen selbst bei den Wählern der Demokraten nur 33 Prozent den Medien. Bei den Republikanern sind es sogar nur 18 Prozent. Auch wenn Hegelich warnt, man müsse bei solchen Studien genau hinsehen, wer da wirklich befragt wurde.

Ein weiterer wichtiger Grund für ihn ist außerdem, dass der Bot-anfällige Kurznachrichtendienst Twitter in Deutschland bisher nur eine geringe Rolle spielt. Der veröffentlicht zwar keine Nutzerzahlen, aber alle Schätzungen laufen darauf hinaus, dass weniger als drei Prozent aller Deutschen Twitter nutzen. Die offiziellen Nutzerzahlen für Deutschland belaufen sich bei Facebook dagegen auf dreißig Millionen, von denen 23 Millionen das soziale Netzwerk täglich nutzen. Wobei Facebook für Bots nicht so anfällig ist wie Twitter. Das liegt am Geschäftsmodell. Facebook lebt von Werbung, die von echten Menschen gesehen wird. Das Netzwerk muss also schon jenseits der politischen Debatten für eine möglichst niedrige Bot-Aktivität sorgen. Twitters Geschäftsmodell beruht derzeit noch auf einer möglichst großen Mitgliederzahl, wie viele davon echte Menschen sind, ist nicht so wichtig. Rechte Hetze gibt es zwar, die läuft im deutschen Wahlkampf aber eher auf Kanälen wie 4Chan oder Reddit, also sehr viel kleineren Echokammern.

Nicht Algorithmen verschärfen den Ton der politischen Debatte, sondern die Menschen, die dahinterstecken

Doch auch wenn die Bots für die aktuellen Wahlen in Deutschland keine Gefahr sind, eine pauschale Entwarnung will Simon Hegelich nicht geben. "Man muss schon schauen, was man mit Bots erreichen kann. Trends in den sozialen Medien können sie auf alle Fälle verzerren. Ich warne sowieso davor, irgendwelche Trends aus sozialen Medien abzuleiten." Weil dort Stimmungsschwankungen extrem kleiner Bevölkerungsgruppen eine Scheinbedeutung gewinnen, die meist wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat.

Es wäre auch zu leicht, die Verschärfung und den Verfall der politischen Debatten den Maschinen zuzuschreiben. Bots sind Werkzeuge, nicht mehr. Genutzt werden sie von politischen Akteuren. Und sie sind nur ein Element einer Dynamik, die sich schon lange verfestigt hat. Hacker und Trolle beeinflussen die Debatte sehr viel nachhaltiger, als Algorithmen das je könnten.

Die Forschung, so sagt Hegelich, muss die Bots als Teil eines medialen Strukturwandels allerdings jetzt schon sehr ernst nehmen: "Langfristig können Bots, Fake News, Mem Wars und andere Manipulationen ein sehr unterschiedliches Informationsniveau schaffen. Da kann durchaus ein Zweiklassensystem der Informationsgesellschaft entstehen. Das ist aber alles noch nicht erforscht. Aber vieles deutet darauf hin, dass es da Polarisationseffekte gibt, die dadurch verstärkt werden." Das amerikanische Wahljahr 2016 wird wohl noch länger als warnendes Beispiel dienen.

© SZ vom 19.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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