ADAC und der Betrug am Verbraucher:Wo Vertrauen nicht angebracht ist

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Verbraucher brauchen Orientierung - aber Vertrauen in andere ist nicht alles. (Foto: dpa)

Die Mehrheit der Deutschen gehört zu den "vertrauenden Verbrauchern" und denkt kaum über eigene Kaufentscheidungen nach. Doch wer sich allein auf Organisationen wie den ADAC und andere selbsternannte Verbraucherschützer verlässt, macht es sich zu einfach.

Von Felicitas Kock

Welches Müsli ist das gesündeste? Welche Zahnpasta schützt am besten vor Karies? Und mit welchem Reiseanbieter kommen wir am entspanntesten in den Urlaub? Die Auswahl an Produkten ist heute so groß und vielfältig, dass leicht der Überblick verloren geht. Gleichzeitig wollen alle gerne im besten Restaurant essen und im besten Auto fahren, das der Geldbeutel hergibt.

Schön, wenn man jemanden an der Seite hat, der einem die Entscheidung abnimmt. Der sagt, was qualitativ hochwertig und ethisch vertretbar ist - und der Einfachheit halber auch gleich Noten oder Punkte vergibt. Gerade bei größeren Anschaffungen lassen wir uns gerne helfen. Wer will seine mühsam herangeschafften Euros schon in eine Waschmaschine stecken, die nach wenigen Monaten kaputt geht - oder in ein Auto, das umkippt, wenn man mal einem Elch begegnet?

Da wir nicht mehr auf unser eigenes Urteilsvermögen vertrauen - das womöglich gar nicht mehr können, weil alles viel zu kompliziert geworden ist, von der Zusammensetzung eines Produkts über die Handelswege bis zur langen Liste an Dingen, die wir bei unserer Kaufentscheidung beachten müssen - verlassen wir uns auf die, die es wissen müssen: Wer sich ein neues Auto kaufen will, wendet sich an den ADAC. Wer faire Kosmetikprodukte sucht, blättert im Ökotest.

Der Begriff "Verbraucherschützer" ist nicht geschützt

Dass gleich mehrere sogenannte Verbraucherschützer gerade in der Kritik stehen, weist uns auf das hin, was wir eigentlich schon lange wissen: Es handelt sich dabei nicht um Organisationen ohne Eigeninteressen. Wenn sie sich nicht von außen beeinflussen lassen, dann ist da zumindest der Kampf um den Erhalt der eigenen Relevanz. Die Prüfer prüfen nicht im luftleeren Raum. Überhaupt, kritisiert Klaus Müller, Vorsitzender der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, bräuchte es hier eine Qualitätsdebatte: Der Begriff "Verbraucherschützer" ist nicht geschützt. Jeder, der die Konsumenten über bestimmte Produkte informiert, kann sich als solcher bezeichnen. Ganz gleich, ob er durch öffentliche Mittel finanziert wird, durch zahlende Mitglieder oder durch Firmen.

Obwohl das bekannt ist, hat der Betrug beim ADAC bei vielen Menschen Empörung ausgelöst. Konsumieren ist für viele Menschen wie Tour-de-France-Schauen: Man weiß, dass in vielen Fällen etwas nicht stimmt, doch wenn man nicht darüber nachdenkt, lässt sich dieser Aspekt ganz gut ausblenden. Wenn dann ein Betrugsfall herauskommt, fangen plötzlich alle an zu denken und stellen entrüstet die Frage, wem man jetzt noch vertrauen kann.

An dieser Stelle hilft es, sich an den kleinen Dingen des Alltags zu orientieren. Wer nach einer guten Pizzeria in der Nähe sucht, schaut heute nach Bewertungen im Internet nach - der Mut zum Risiko liegt auf dem Friedhof gleich neben dem Vertrauen ins eigene Urteilsvermögen. Wenn die Pizzeria zu hundert Prozent positiv bewertet wurde, ist das schön und gut. Wenn nur eine Person abgestimmt hat, wird dennoch kaum jemand zum Hörer greifen und einen Tisch reservieren. Ein Einzelner kann irren, einen anderen Geschmack haben, im Zweifelsfall handelt es sich um den Pizzabäcker, der Werbung für seinen Arbeitgeber macht. Wenn sehr viele Leute abgestimmt haben, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich auch Menschen beteiligt haben, die nicht für das Lob von Pizza und Spaghetti Bolognese bezahlt worden sind. Auch wenn es Firmen gibt, die sich allein auf das Schreiben von gefälschten Bewertungen spezialisiert haben. Wir können mehrere Beurteilungen vergleichen, eine Tendenz erahnen - und greifen zum Hörer.

Von Verantwortungsbewussten - und Vertrauenden

Für das große Ganze lässt sich daraus schlussfolgern, dass Vergleiche nicht schaden. Vergleiche der Testergebnisse verschiedener großer und kleiner Autoclubs und -portale zum Beispiel. Erst aus der Masse, aus dem Eindruck vieler, lässt sich für den Einzelnen eine Tendenz ableiten. Wer als Verbraucher sicher gehen und nicht enttäuscht werden will, sollte sich so selbst ein Urteil über das Produkt bilden, das er kauft, anstatt die Entscheidung auf andere zu übertragen. Auch wenn das Zeit und Nerven kostet.

Viele tun das schon heute. Fachleute bezeichnen sie als "verantwortungsbewusste Verbraucher", Menschen also, die sich intensiv mit dem auseinandersetzen, was sie konsumieren, die sich mit der Qualität und Nachhaltigkeit der Produkte beschäftigen. Menschen, die mit einem gesunden Misstrauen an die Dinge herangehen. Sie werden über den Betrugsskandal beim ADAC weniger empört sein - schließlich haben sie nicht auf dessen Urteil gebaut.

Anders geht es dem Rest, der großen Mehrheit, die sich nicht gern selbst Gedanken macht. "Die meisten Menschen wollen einfach, dass die Dinge funktionieren. Sie können oder wollen sich nicht lange damit beschäftigen, sind für Werbung und Gütesiegel sehr empfänglich und suchen sich selten vertiefende Informationen", sagt Klaus Müller von der Verbraucherzentrale. Fachleute bezeichnen diese Gruppe als "die Vertrauenden".

Wie schockiert diese Vertrauenden sind, wenn sie betrogen werden, hat sich durch die Affäre um geschönte Zahlen des ADAC einmal mehr gezeigt. Dabei ist der Skandal nur ein Beispiel dafür, dass es heute nicht mehr zielführend ist, wichtige Entscheidungen der Einschätzung anderer zu überlassen. Zu stark sind die Interessen der einzelnen Akteure, zu intransparent die Abstimmungsprozesse. Klaus Müller drückt es so aus: "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser."

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