Wohnungsmarkt:Immobilienkonzerne im Kaufrausch

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  • Für knapp zehn Milliarden Euro will Vonovia seinen größten Mitbewerber Deutsche Wohnen übernehmen.
  • Viele Anleger investieren derzeit in die großen Vermieter, weil die Nachfrage nach Wohnungen in den deutschen Großstädten hoch ist.

Von Benedikt Müller und Stephan Radomsky, München

Die Uhr tickt. Dieses Gefühl ließ Rolf Buch, 50, nicht mehr los. Der Chef von Deutschlands größtem Vermieter Vonovia hat an diesem Mittwoch einen milliardenschweren Zukaufsplan verkündet, es ist nicht der erste. Für insgesamt 14 Milliarden Euro (inklusive Schuldenübernahme) will Vonovia den größten Konkurrenten Deutsche Wohnen übernehmen, bevor dieser noch größer und teurer wird. "Es ist für uns der letztmögliche Moment, dieses Angebot zu machen", sagt Buch. Wenn sein Plan aufgeht, könnten sich die Nummer eins und die Nummer zwei auf dem deutschen Wohnungsmarkt zusammenschließen. Die beiden kämen auf zusammen mehr als eine halbe Million Wohnungen. Es wäre der Höhepunkt eines beispiellosen Kaufrauschs in der Wohnungswirtschaft.

Vonovia hat es eilig, weil auch der große Konkurrent weiter wachsen will. In zwei Wochen sollen die Aktionäre der Deutschen Wohnen zustimmen, dass der Berliner Großvermieter die LEG Immobilien aus Düsseldorf übernimmt. Dann würde ein Konzern entstehen, der über 250 000 Wohnungen in Berlin, im Ruhrgebiet und in gefragten Regionen entlang des Rheins vermietet. Das Bundeskartellamt hat die Fusion bereits genehmigt. Doch Buch will verhindern, dass neben Vonovia ein zweiter Großvermieter entsteht. Sein Plan: Die Aktionäre der Deutsche Wohnen sollen bei der Hauptversammlung Ende Oktober gegen die geplante Kapitalerhöhung stimmen. Im Gegenzug will Vonovia für jeden Anteil des Mitbewerbers knapp 26 Euro bieten, in Aktien und Bargeld. Das Management und der Aufsichtsrat von Deutsche Wohnen wehren sich aber dagegen.

Die Gropiusstadt in Berlin-Neukölln: Vonovia würde mit der Übernahme von Deutsche Wohnen seinen Bestand in der Hauptstadt vervielfachen. (Foto: imago)

Experten gehen davon aus, dass der erste Teil des Plans aufgehen wird. "Die Wahrscheinlichkeit, dass die Aktionäre der Deutschen Wohnen dem LEG-Deal nicht zustimmen, ist sehr hoch", sagt Georg Kanders, Immobilienanalyst beim Bankhaus Lampe. Schon vor dem Vonovia-Angebot hatten viele Investoren Zweifel, ob der einst landeseigene Vermieter aus Nordrhein-Westfalen ein guter Kauf für die Deutsche Wohnen wäre. Doch das Management bleibt vorerst bei seinen Plänen.

"Wir arbeiten in einem Geschäft mit niedrigen Margen - wir müssen alle Effekte nutzen."

Die deutschen Immobilienkonzerne können aus mehreren Gründen Milliardenübernahmen stemmen. Aufgrund der niedrigen Zinsen können sie sich zurzeit günstig verschulden. Gleichzeitig investieren viele Anleger in die großen Vermieter, weil die Nachfrage nach Wohnungen in den deutschen Großstädten hoch ist.

(Foto: SZ)

Nachdem viele Kommunen in der Finanzkrise ihre Immobilienbestände privatisiert haben, sind Unternehmen wie Vonovia entstanden. Der Konzern, der seit ein paar Wochen im Dax-30 notiert ist, war erst im Frühjahr aus der Fusion von Deutsche Annington und Gagfah hervorgegangen. Noch ist die neue Tochter nicht komplett integriert, da plant Buch jetzt den nächsten Deal. "Wir haben den Zeitpunkt nicht selbst gewählt", räumt der Vonovia-Chef ein. Doch Buch will für die Deutsche Wohnen bieten, bevor sie nur noch einschließlich der LEG zu haben ist. Durch die Übernahme seines größten Mitbewerbers will Vonovia pro Jahr 84 Millionen Euro einsparen. "Wir arbeiten in einem Geschäft mit niedrigen Margen", sagt Buch. "Deshalb müssen wir alle Effekte nutzen." Der Marktführer Vonovia würde in Städten, in denen er schon jetzt Wohnungen vermietet, zusätzliche Einheiten dazubekommen, allen voran in Berlin. Neue Städte kämen nicht dazu. Deshalb könnte der fusionierte Konzern etwa in der Buchhaltung Ausgaben kürzen. Dadurch hätte Vonovia mehr Freiraum, um in seine Wohnungen zu investieren und dringend benötigte Neubauten zu finanzieren, sagt Buch.

Der Deutsche Mieterbund aber bezweifelt, dass dieser Effekt zum Tragen kommt. "Durch Fusionen, An- und Verkäufe von Wohnungen und Wohnungsunternehmen entsteht keine einzige neue Wohnung", kritisiert Lukas Siebenkotten. Darüber hinaus warnen Kritiker, es könnte ein wackeliges, weil schuldenfinanziertes Unternehmen werden. Wie bereits mehrfach in den vergangenen Monaten müsste Vonovia neue Aktien und Anleihen ausgeben, um die Übernahme der Deutsche Wohnen zu finanzieren. Wenn die Zinsen steigen oder die Immobilienpreise fallen, könnten die Großvermieter in ernsthafte Schwierigkeiten kommen.

Auch an der Börse löste das Angebot von Vonovia gemischte Reaktionen aus. Die im M-Dax gehandelten Aktien der Deutsche Wohnen legten am Mittwoch um gut zwei Prozent zu. Die Papiere der LEG verloren hingegen über drei Prozent an Wert, weil die Übernahme durch die Deutsche Wohnen nun in Gefahr ist. Noch stärker bergab ging es für die Vonovia-Anteile, die mit gut vier Prozent Minus der Tagesverlierer im Dax waren. "Aus Sicht von Vonovia kommt der Deal zu früh", erklärt Analyst Kanders. Viele Anleger bezweifeln, dass es dem Marktführer zurzeit gelingen kann, seine Rendite durch diesen nächsten Zukauf zu steigern. Deshalb sei noch nicht sicher, dass auch der zweite Teil von Buchs Plan aufgehen wird, sagt Kanders. "Es würde mich nicht wundern, wenn die Vonovia-Aktionäre dem Kauf der Deutsche Wohnen nicht zustimmen würden."

Dann geht alles von vorne los.

© SZ vom 15.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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