Willkommenskonzert:Klangzeichen

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Drei Berliner Klangkörper, Philharmoniker, Staatskapelle und Konzerthausorchester mit ihren Chefdirigenten Simon Rattle, Daniel Barenboim, Ivan Fischer geben ein Sonderkonzert für die Flüchtlinge.

Von WOLFGANG SCHREIBER

Eine Art Modell war das riesige Pop-Event in München, Hamburg und Berlin, Konzerte im Oktober für Flüchtlingshelfer, mit vielen Bands und Musikern: Grönemeyer, Wanda und Fettes Brot, Holofernes, Mittermeyer, Niedecken . . . Jetzt "Willkommen in unserer Mitte", drei große Berliner Symphonieorchester stemmen mit ihren Chefdirigenten ein Sonderkonzert in der Berliner Philharmonie für die Helfenden - vor allem für die Flüchtlinge selbst.

Es hätten sich, heißt es, rund 6 000 Berliner Flüchtlinge und deren Helfer fürs Konzert gemeldet. Immerhin 2 000 sorgen für eine spezielle Atmosphäre in der Philharmonie: Junge schwarzbärtige Männer und bunte Kopftücher tragende Frauen und Mädchen bestimmen das Bild, ein fast familiäres Gebrodel erfüllt die Räume. Auch nach dem Konzert, wenn alle (!) Zuhörer zu Essen, Trinken, Reden eingeladen sind.

Es fällt auf, dass bei Mozarts Klavierkonzert in d-Moll, von Barenboim mit dramatischem Zugriff gespielt, Prokofjews Symphonie classique, die Ivan Fischer elegant durchtänzelt, und bei den Sätzen zwei und vier aus Beethovens siebenter Symphonie, die Simon Rattle wuchtig in Energieströme bannt, dass hier die Musik in eine gespannte Konzentration des Zuhörens gebettet ist. Nach den Einzelsätzen der Kompositionen spontane Begeisterung mit stehenden Ovationen ausbricht - für die Musiker der Staatskapelle Berlin, des Konzerthausorchesters und der Berliner Philharmoniker. Ihre Dirigenten werden lauthals, frenetisch, gefeiert, sie wirken emotional überrumpelt, am Ende verbrüdert. Musik sei, erklären sie, "unsere internationale Sprache, die die Menschen überall erreicht und berührt". Als Musiker fühlten sie sich "auf der ganzen Welt willkommen. Wir wünschen uns, dass dies auch für Menschen gilt, die vom Schicksal schwer getroffen sind und die durch Krieg, Hunger oder Verfolgung gezwungen wurden, ihre Heimat zu verlassen".

Willkommenskultur - in dem diffus gebrauchten Begriffsfeld finden Symphonieorchester ihren idealen Platz. Keine Angst vor "Überfremdung": Brillant ausgebildete Instrumentalisten kommen von überall her und schaffen spielend Zusammenklang, Harmonie, eben: Integration. Amerikaner, Russen und Chinesen, Israeli, Japaner, Koreaner, Süd- und Osteuropäer sitzen neben deutschen Musikern an den Streicher- und Bläserpulten. Wohl wahr: Musizieren ist nicht gleich politisches Handeln, aber Musik kann als Zeichensprache zu einem Symbol werden, das auf das Bewusstsein einwirkt. Bestes Beispiel für eine radikal offene, politische und soziale Verhärtungen souverän überspielende Willkommensmusik bietet Barenboims West-Eastern Divan Orchestra, das israelische und arabische Musiker vereint. Jetzt wurden sie zum UN-Botschafter für kulturelle Verständigung ernannt. Barenboim nennt das Orchester "eine Flamme der Hoffnung".

© SZ vom 03.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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