Wie man die Angst besiegt:Löwenstark

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Illustration aus Ingrid Bachér und Rotraut Susanne Berner: Das Kind und die Katze. (Foto: Verlag)

Kind und Katze sind nachts allein zu Hause. Ein Gewitter kommt, der Schrecken ist groß. Die Fantasie kennt Tricks, um ihm zu begegnen. Die surrealen Bilder hat Rotraut Susanne Berner geschaffen.

Von Marlene Zöhrer

"Ich soll einschlafen, aber ich möchte mit dir reden. Das Haus ist groß. Wir beide sind die Kleinsten. Wir sind allein." Kind und Katze sind allein daheim, die Eltern sind ausgegangen, und als wäre das nicht schon genug, zieht auch noch ein Gewitter auf. Im Zwiegespräch mit der Katze, die es sich auf der Bettdecke bequem gemacht hat, versucht das Mädchen, sich selbst zu beruhigen.

Die Katze ist die Rettung: Mit seiner Fantasie lässt das Kind sie zu einem mächtigen Löwen anwachsen, der es vor den brennenden Blitzen beschützt. Und die Fantasie macht nicht nur die Katze stärker: "Ich werde nie wieder Angst haben, dachte es, nicht mal im Dunkeln und bei Gewitter. Ich wusste wirklich nicht, dass man so viel tun kann. Ich hatte keine Ahnung, dass man mit sich und dem anderen zaubern kann. Ich werde nie wieder nachts weinen."

Dass der Text aus einer anderen Zeit stammt - Ingrid Bachér, Theodor Storms Urenkelin schrieb ihn vor über 50 Jahren -, merkt man ihm an. Doch das Thema der Erzählung hat nichts an Aktualität verloren - die Angst im Dunkel ist ebenso zeitlos wie alltäglich. Außergewöhnlich ist, was Rotraut Susanne Berner mit ihren Bildern, die mit Elementen unterschiedlicher Illustrationsstile und der symbolhaften Wiederholung und Verschiebung von Bildelementen spielen, aus dem kurzen Text herausholt, ohne ihn zu übertönen oder zu überfrachten. Ursprünglich hatte sie die Geschichte vom Kind und der Katze für die "Tollen Hefte" der Büchergilde Gutenberg illustriert, nun erscheint sie in Neuauflage als Kinderbuch.

Auch wenn der schmale Band vielleicht nicht unbedingt etwas für Fans von Berners Karlchen-Geschichten oder ihrer Wimmelbücher ist, so lohnt sich der genaue Blick. Auf den Mond beispielsweise, der in seiner Gestaltung an alte Kupferstiche erinnert und der gleich zu Beginn, noch bevor der Text einsetzt, die Eltern auf ihrem Weg durch die Dunkelheit begleitet. Wenige Seiten später hängt er als Kinderzimmerlampe von der Decke und wacht fortan über das Geschehen. Ein Geschehen, das ohne großen Schauer oder Schrecken in Text oder Bild auskommt, dafür aber dem Märchen gleich auf Fantasie setzt, ohne dabei jemals kindlich oder gar naiv zu wirken. Vielmehr klingt eine Tonart des Surrealen an, die in ihren Bann zieht und die keinen Zweifel daran lässt, dass Gewitter mit Löwen zu bekämpfen sind. Dass Fantasie die Angst besiegt. (ab 5 Jahre)

Ingrid Bachér, Rotraut Susanne Berner: Das Kind und die Katze. Hanser Verlag, München 2017. 32 Seiten, 12 Euro.

© SZ vom 03.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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