Whitney Houstons beste Songs:Mehr als nur Soul

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Whitney Houston sang Chartstürmer, Schmacht-Balladen, sogar Hip-Hop war dabei. Mit ihren Songs prägte sie die neunziger Jahre und rührte ihre Fans zu Tränen. Im Gedenken an die große Sängerin hat die Redaktion von Süddeutsche.de ihre besten Lieder gekürt. Der Soundtrack einer Legende.

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Greatest Love of All, 1986

Es gibt viele Gründe, warum sich unzählige Radiostationen immer wieder aufs Neue entschließen, lieber den achtziger Jahren zu huldigen, als neue Stars zu produzieren. Es gibt aber nur einen Grund, warum das auch wirklich so sein darf: Schnulzen.

Nie waren sie besser als damals! Viele Kinder der neunziger Jahre haben ihre ersten Kuschelerfahrungen auf nebligen Keller-Partys zu Hits des vergangenen Jahrzehnts gesammelt. Die Musik der achtziger Jahre war das Ticket in die Wohlfühlzone der Mitschülerinnen - und Whitney Houstons The Greatest Love of All war der VIP-Pass.

So schön und so bekannt, dass die Mädchen träumen konnten. Und das ohne ein schlimmes Störgeräusch ("Aaaiaaaiaaa, will always..."), welches die Stimmung getötet hätte. Kein Kevin Costner, der als Bodyguard in den Gedanken der Tanzpartnerin jeden Angriffsversuch abblockte. Und ja, The Greatest Love of All war die längste Whitney-Schnulze, die wir hatten. Knapp fünf Minuten lang ein offenes Ohr - für Whitney und unsere Worte. Bis zehn Uhr war es noch ganz lange hin. Es sollte nie mehr so unbeschwert und gut werden.

(fred)

Zum Tod von Whitney Houston
:Aufstieg und Fall einer Diva

Mit ihrer Stimmgewalt inspirierte sie eine ganze Generation von Musikfans. Sie gewann 26 American Music Awards, sechs Grammys und verkaufte 170 Millionen Alben, bevor sie ihre Karriere und ihr Privatleben ruinierte.

in Bildern.

Whitney Houstons Weg zur Soul-Diva war lang. In I Wanna Dance with Somebody zeigte sie noch lange nicht ihr ganzes Talent - und doch wurde der Dancepop-Song zum Chartstürmer.

Besonders weibliche Teenager dürfte er einst beflügelt haben. Allein der Refrain: "I wanna feel the heat with somebody" - so stellt man sich als 13-Jährige doch die große Liebe vor.

Außerdem sind Melodie und Text so eingängig, dass man sofort mitsingen und -tanzen kann. Kein Wunder, dass der Ohrwurm auch mehr als zwanzig Jahre später auf fast keiner Party-Playlist fehlen darf. Unglaublich kitschig, aber richtig großartig!

(biw)

Bei nahezu allen sportlichen Großereignssen erklingt sie aufs Neue, die inoffizielle Hymne aller Überraschungssieger, all jener, die jahrelang geschuftet haben - auch wenn andere längst den Glauben an sie verlorern hatten. Dann zeigt das Fernsehen Bilder in Zeitlupe von Sprintern, die als Erste die Ziellinie überqueren, ungläubig die Augen aufreißen und die Arme in die Höhe recken - oder von Turnerinnen, die nach jahrelangen Trainingsstrapazen plötzlich und unerwartet eine olympische Goldmedaille gewinnen. Die Freudentränen natürlich in Großaufnahme.

Dazu Whitney Houstons Stimme, die mit One Moment in Time das Innerste im Zuhörer berührt: "Give me one moment in time - when I'm more than I thought I could be. When all of my dreams are a heartbeat away and the answers are all up to me." Das ist er, der Moment - zumindest für den Sportler. Und Dank Whitney irgendwie immer auch ein bisschen für den Zuschauer.

Der Song spricht das Innerste im Menschen an - die Hoffnung, dass all die Träume, die man so hegt, irgendwann doch in Erfüllung gehen, dass sich all die harte Arbeit irgendwann auszahlt, dass man irgendwann der ganzen Welt beweisen kann, was in einem steckt. Es gibt wohl kaum ein anderes Lied, das Menschen immer wieder aufrichtet - und motiviert, für ihre Sache zu kämpfen.

(holz)

Die Inszenierung, man kann es nicht anders sagen, sie ist einfach zu perfekt: Zuerst ist ein salutierender Soldat zu sehen, dann Fans, die ein Schild mit der Aufschrift "God bless America" in die Höhe halten. Immer im Bild: die amerikanische Flagge. Dann tritt diese junge Sängerin auf, sie trägt einen weißen Jogginganzug und ein weißes Stirnband. Whitney Houston singt an diesem Tag die amerikanische Nationalhymne.

Es ist der 27. Januar 1991, in Tampa findet das Finale der US-Footballliga zwischen den Buffalo Bills und den New York Giants statt, mehr als 115 Millionen Amerikaner sitzen vor dem Fernseher, weltweit sind es 750 Millionen Menschen. Zehn Tage zuvor hat das amerikanische Militär mit Luftangriffen auf den Irak begonnen. Houston beginnt The Star Spangled Banner kraftvoll, interpretiert den Mittelteil vorsichtig und zart, um kräftig und euphorisch zu enden. Während der letzten Zeilen donnern vier F-16-Kampfjets über das Stadion in Tampa, das Volk jubelt und schwenkt amerikanische Fähnchen. Der Rolling Stone nennt ihren Auftritt "unvergesslich", er gilt bis heute als der beste Showact in der Geschichte des Super Bowl.

Was erst später herauskommt: Whitney Houston singt nicht live, sondern hat die Hymne ein paar Tage vorher aufgenommen. Die Mikrofone im Stadion sind nicht eingeschaltet. Den Amerikanern ist das egal: Houstons Interpretation wird als Single veröffentlicht - sie erreicht Platz 20 in den Billboard Hot 100 und Houston ist damit die erste Künstlerin, deren Version der Nationalhymne in die Charts gelangt. Nach den Terrorangriffen vom 11. September wird die Single erneut herausgebracht, diesmal schaffte sie sogar Platz sechs.

(jüsc)

Was für ein Schmachtfetzen: Schwer seufzend stehen sie auf dem Rollfeld, Bodyguard Frank Farmer und die Sängerin Rachel Marron. Er im mausgrauen Anzug und mit verbundenem Arm, sie im langen Mantel mit kunstvoll geschlungenem Kopftuch. Sie umarmen sich lauwarm und sagen ein letztes "Goodbye" - und das nach einer herzzerreißenden Liebesgeschichte. Schniefen und Schluchzen aus allen Kinoreihen, kein trockenes Auge weit und breit.

Sie steigt in ihr kleines Privatflugzeug, irgendwie in Trance. Und dann beginnt das Lied: "If I should stay /I would only be in your way /So I'll go, but I know /I'll think of you every step of the way ...". Und da steht er, auf dem Rollfeld, ganz cool - und doch nicht.

Schließlich zerschneidet ein "Wait" die trügerische Ruhe im Flugzeug - die Treppe klappt aus und der Refrain beginnt: "And I will always love you/I will always love you" - und der Film endet, wie er aus Sicht eines jeden Romantikers enden muss. Rachel Marron und Frank Farmer, alias Whitney Houston und Kevin Costner, liegen sich in den Armen. Ende gut, alles gut: I will always love you. Kaum ein Song hat das Schmachtpublikum in den neunziger Jahren mehr gerührt als dieser.

(wolff)

Solche Power-Balladen gibt es einfach nicht mehr! Wie sehr wünscht man sich bei einem Song wie "I Have Nothing" die achtziger und frühen neunziger Jahre zurück, in denen Pop-Diven alles auffahren durften: bombastische Orchestrierung, perfekte Produktion und Whitney Houstons Koloratur-Alt, der Schauer über den Rücken laufen lässt.

I Have Nothing war der dritte Hit aus dem Bodyguard-Album. Und auch, wenn der Song kommerziell kein so großer Erfolg war wie zuvor I Will Always Love You und I'm Every Woman, waren sich die Kritiker einig, dass ihr mit dem von David Foster und Linda Thompson geschriebenen Song ein ganz großer Wurf gelungen war.

Wenn Whitney herrlich schnulzt: "Don't walk away from me, I have nothing, nothing, nothing - if i don't have you-oo, you-oo" - dann denken wir das auch!

(rela)

Sie kann nicht nur Soul. My Love Is Your Love ist einer der späteren Songs von Whitney Houston, aber unvergleichlich schön. Die Mischung aus Reggae-Beats und der unvergleichlich flatternden Stimme, dazu die Hip-Hop-Beats: einfach lässig.

Mit jungen, aufkommenden Hip-Hop und R'n'B-Stars wie Lauryn Hill, Babyface oder Missy Elliott, die das Album mit produzierten, schlägt die 35-jährige Sängerin moderne Wege ein und wagt sich bewusst über ihr Soul-Repertoire hinaus. Übrigens auch in optischer Hinsicht: Zumindest auf dem Single-Cover ist sie in trendiger cognac-farbener Lederjacke und mit verwuschelten Afrolocken zu sehen.

Zart und gefühlvoll setzt sie an: "If tomorrow is judgement day and I'm standing on the front line/ and the lord asked me what I did with my life/ I would say I spent it with you". Produziert wurde das Album von Wyclef Jean, zu der Zeit selbst erfolgreich mit der Formation The Fugees unterwegs.

Auch wenn das Comeback-Album (nach acht Jahren) nicht so erfolgreich war wie die Vorgänger, allein wegen der Single-Auskopplung hat es sich gelohnt: Mehr als drei Millionen Exemplare verkauften sich weltweit und machen My Love Is Your Love zur drittbestverkauften Single Houstons nach I Will Always Love You und I Wanna Dance with Somebody.

"Your love is my love and my love is your love/ it would take an eternity to break us/ and the chains of amistrad couldn't hold us" - man kann bei dem Song einfach nicht still halten. Zu schade, dass es Whitney Houstons letzte erfolgreiche Platte war.

(cag)

Alle hier verlinkten Videos sind auch auf Youtube zu sehen.

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