"Was lesen Sie gerade?" mit Nora Bossong:Ihre besten Teile, in Schachteln verpackt

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Was ich gerade lese Bassong (Foto: Illustration Jessy Asmus für SZ.de)

Jede Woche stellen wir Schriftstellern die Frage: "Was lesen Sie gerade?" Nora Bossongs Lektüre dreht sich um das Pornogeschäft.

Von Carolin Gasteiger

"Was lesen Sie gerade?" ist eine Frage, die man immer stellen kann, jedem und zu jeder Zeit. Beim Mittagessen, abends an der Bar oder sonntags im Park. Schriftsteller lassen uns in fremde Welten eintauchen, auf ihre Romane fiebern wir wochenlang hin. Aber was lesen Autoren eigentlich selbst? Haben sie Lieblingsschreiber, Vorbilder, Inspirationsquellen? Wir fragen Schriftstellerinnen und Schriftsteller in einer Mini-Serie nach ihren ganz persönlichen Lesegewohnheiten und -empfehlungen. In dieser Woche antwortet Nora Bossong.

Welche Bücher liegen auf Ihrem Nachttisch?

Auf meinem Nachttisch nicht. Aber auf meinem Couchtisch liegen "Tod in Persien" von Annemarie Schwarzenbach, Linda Lovelaces "Ich packe aus", "Große Liebe" von Navid Kermani und von Niklas Luhmann "Liebe, eine Übung".

Welches davon lesen Sie gerade - und in welcher Form?

Längere Texte lese ich, wenn möglich, in Buchform und bei bestimmten Büchern greife ich aus Neugier gerne auf antiquarische Exemplare zurück, etwa bei den Memoiren von Lovelace, die ja in den 70ern berühmt wurde als Protagonistin des Pornos "Deep Throat". Da wollte ich einfach wissen, ob der Vorbesitzer Anstreichungen gemacht hat. Und das 80er-Jahre-Cover ist unschlagbar.

Wie kamen Sie auf die Lektüre?

Ich arbeite gerade an einem Buch über das Rotlicht. Die Biographie von Lovelace gibt einen Einblick in die Arbeit im Pornobusiness während der Sexwelle, es erzählt vom Zwang, der Gewalt und der Abhängigkeit, in die Lovelace geraten ist.

Bester Satz?

"Sie hatte kein Make-up aufgelegt und trug noch nicht ihre Perücke; die besten Teile von ihr - und das war typisch für die Frauen in Hefners Leben - konnten einfach in Schachteln verpackt werden."

Wer sollte das Buch auf jeden Fall lesen - und wer nicht?

Schwer zu sagen: Auf der einen Seite würde man es Leuten wünschen, die allzu unkritisch Pornografie konsumieren, andererseits wird für diese Leser vermutlich die dargestellte Sexualität unter Zwang auch wieder nur wie ein Gewaltporno funktionieren. Es ist ein Buch, das etwas Allgemeines beschreibt, aber literarisch nicht sehr stark ist und dadurch sehr in seiner Zeit verhaftet bleibt.

Schon mal geweint beim Lesen? Oder vor lauter Tränen gelacht?

Klar! Bei Thomas Pynchon muss ich oft lange lachen. Und zuletzt geweint (aber auch gelacht) habe ich bei Irmgard Keuns "Das kunstseidene Mädchen".

Was ist das beste Buch, das Sie jemals gelesen haben?

Es gibt viele beste Bücher. Eines davon ist für mich Joseph Roths "Hotel Savoy", das habe ich gerade zum dritten Mal gelesen.

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