"Was lesen Sie gerade?" mit Benedict Wells:"Tolstois Gespür für das Wesen seiner Charaktere ist unglaublich"

"Was lesen Sie gerade?" mit Benedict Wells: Was könnte Benedict Wells lesen, das mit Hunden und C-3PO zu tun hat?

Was könnte Benedict Wells lesen, das mit Hunden und C-3PO zu tun hat?

(Foto: Collage Jessy Asmus/SZ.de)

Jede Woche stellen wir Schriftstellern die Frage: "Was lesen Sie gerade?" Benedict Wells wagt sich an einen berühmten Klassiker.

Von Carolin Gasteiger

"Was lesen Sie gerade?" ist eine Frage, die man immer stellen kann, jedem und zu jeder Zeit. Beim Mittagessen, abends an der Bar oder sonntags im Park. Schriftsteller lassen uns in fremde Welten eintauchen, auf ihre Romane fiebern wir wochenlang hin. Aber was lesen Autoren eigentlich selbst? Haben sie Lieblingsschreiber, Vorbilder, Inspirationsquellen? Wir fragen Schriftstellerinnen und Schriftsteller in einer Mini-Serie nach ihren ganz persönlichen Lesegewohnheiten und -empfehlungen. Diese Woche: der Münchner Autor Benedict Wells.

Benedict Wells

Sein Debütroman "Becks letzter Sommer" wurde mit Christian Ulmen verfilmt; in seinem jüngsten Roman "Vom Ende der Einsamkeit" erzählt der junge Münchner Autor Benedict Wells von der Liebesgeschichte zwischen Alva und Jules - und vom Tod.

Welche Bücher liegen auf Ihrem Nachttisch?

Auf meinem Nachttisch stapeln sich gerade "Der Gang vor die Hunde" von Erich Kästner, der zweite Band von "Krieg und Frieden" von Lew Tolstoi, "Wie Star Wars das Universum eroberte" von Chris Taylor und "Endstation Sehnsucht" von Tennessee Williams.

Welches davon lesen Sie gerade - und wie?

Meistens lese ich ein Buch von vorne bis hinten durch. Aber momentan lese ich ausnahmsweise die ersten drei abwechselnd. Und wie ich die lese? Immer klassisch. Ich liebe das gedruckte Buch und bin kein Fan von E-Books.

Wie kamen Sie auf diese Lektüre?

"Krieg und Frieden" wollte ich schon seit Jahren lesen, es hat mich mit seinen 2100 Seiten aber stets ein wenig abgeschreckt. Zuletzt bin ich jedoch mit der Transsibirischen Eisenbahn nach China gereist und dachte mir: Wenn ich es nicht im Zug durch Russland lese, dann nie. Bis jetzt gefällt es mir sehr gut. Bei Kästner dagegen wurde mir oft von seinem Roman "Fabian" vorgeschwärmt. Umso erstaunter war ich, dass dieser eigentlich "Der Gang vor die Hunde" heißen sollte. Ein dekadenter, ausschweifender Berlinroman von 1931, der von seinem ängstlichen Verlag damals nicht nur gekürzt, sondern auch gegen Kästners Willen umbenannt wurde. Vor kurzem erschien er dann noch mal so, wie er ursprünglich gedacht war, das hat mich interessiert. Und über das "Star Wars"-Buch habe ich einen Artikel in der FAZ gelesen, der mich als Fan der alten Filme neugierig gemacht hat. Es ist ein Wahnsinnswerk über die Entstehung dieses Jahrhundert-Franchise.

Beste Momente?

Schon sehr vieles aus "Krieg und Frieden": Ich schaue nie Soaps, muss aber zugeben, dass die Beschreibungen, wie Natascha auf den abgebrühten Schwindler Anatole hereinfällt, kaum zum Aushalten waren. Tolstois Gespür für das Wesen seiner Charaktere ist unglaublich, schon nach wenigen Szenen fühlt und leidet man mit ihnen mit, und auch wenn sie mal Hunderte Seiten kaum vorkommen, reichen zwei, drei Schilderungen, und man ist ihnen wieder ganz nah.

Wer sollte das Buch auf jeden Fall lesen - und wer nicht?

Ich kann das Buch nur jedem empfehlen. Ausgenommen vielleicht Menschen mit ganz schlechtem Namensgedächtnis.

Schon mal geweint beim Lesen? Oder Tränen gelacht?

Zuletzt geweint habe ich am Ende von "Alles, was wir geben mussten" von Kazuo Ishiguro. Und mehrmals laut lachen musste ich bei John Irvings "Hotel New Hampshire".

Was ist das beste Buch, das Sie jemals gelesen haben?

Ein einzelnes kann ich unmöglich hervorheben. Aber "Jenseits von Eden" von John Steinbeck, John Williams' "Stoner" und "Das Attentat" von Harry Mulisch finde ich auf ihre Weise fast perfekt.

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