Vortragsreihe:Morgen ist sie da

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Ijoma Mangold, der Literaturchef der Wochenzeitung "Die Zeit", sprach in München über Zukunftsliteratur. Er eröffnete eine Reihe der Bayerischen Akademie der Schönen Künste: Wo ist die Zukunft geblieben?

Von Michael Stallknecht

Früher war die Zukunft auch besser: Karl Valentins Bonmot dürfte lange nicht mehr von so vielen Menschen ernst genommen worden sein wie dieser Tage. Terroranschläge, ein kriselndes Weltfinanzsystem, Migrationsströme, Uneinigkeit zwischen den europäischen Staaten, militärische Drohgebärden der Großmächte: Mehr als die Hälfte der Deutschen, so eine kürzlich veröffentlichte Umfrage, blicken mit mehr Angst als Zuversicht auf das kommende Jahr. In der entscheidenden Gruppe mittleren Alters waren es sogar 83 Prozent.

"Wo ist die Zukunft geblieben?" wird denn im kommenden halben Jahr auch die Bayerische Akademie der Schönen Künste fragen. In zehn prominent besetzten Vorträgen sollen in München Philosophen wie Konrad Paul Liessmann und Christoph Menke, Literaturwissenschaftler wie Eva Horn oder Karl Heinz Bohrer, aber auch ein Komponist wie Manfred Trojahn eine Antwort versuchen.

"Ich habe ein Problem mit der Zukunft", sagte zur Eröffnung Ijoma Mangold, Literaturchef der Wochenzeitung Die Zeit. Was jedoch nicht bedeuten sollte, dass er sich ebenfalls Sorgen um die Zukunft mache - eher im Gegenteil. Für Mangold wird nämlich meistens zu viel auf die Zukunft projiziert, zu viel der Hoffnungen oder zu viel der Ängste. Utopisten wie Apokalyptiker neigten dazu, die Zukunft für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Sie seien sich darin allzu ähnlich, dass sie die Gegenwart als unvollkommen abwerteten. In der Regel erweise sich die Zukunft aber "überhaupt nicht als Einlösung der Hoffnungen oder unserer schlimmsten Bedenken". Das Einzige, was man wirklich über sie sagen könne, sei eben, dass sie komme.

Entsprechend möchte Mangold auch die Literatur einerseits nicht mehr "auf die Rolle des Modernisierungstreibers" festlegen, andererseits aber schätzt er durchaus ihre "Antennen" für die Zukunft. Das Genre der Stunde ist für ihn deshalb die "sanfte Dystopie", Beispiele im deutschsprachigen Raum etwa Leif Randts "Schimmernder Dunst über CobyCounty" oder Eva Menasses "Quasikristalle". Diese Autoren versuchten nicht mehr wie die klassischen Dystopien, den rasenden wissenschaftlichen Fortschritt literarisch noch zu überholen. Sie verlängerten nur ihre Beobachtungen aus der Gegenwart in die Zukunft hinein. "Die Literatur hat mich noch immer ziemlich gut auf die Zukunft vorbereitet. Über fast alles, was irgendwann Wirklichkeit wurde, habe ich zuvor in Romanen gelesen." Mangold versteht das als Plädoyer für einen "Funktionalismus", dafür, dass am Ende erstaunlicherweise doch noch alles irgendwie funktioniere.

Aber kann das bedeuten, dass die Frage nach der Zukunft unsinnig wäre, dass man sich über sie besser gar keine Gedanken machen sollte? Die Zukunft der Münchner Reihe wird es zeigen.

© SZ vom 04.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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