Vorschlag-Hammer:Wieder dahoam

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Was auffällt nach langer Urlaubsabwesenheit: Die Bajuwarisierung des Kulturbetriebs ist in einem Maße progredient, dass es einem schwindlig wird

Von Karl Forster

Vier Wochen ohne München, das, so dachte ich, könnte schon ein paar Entzugserscheinungen hervorrufen. Vier Wochen ohne Stau auf dem Mittleren Ring, ohne rechthaberische BMW-Fahrer, ohne S-Bahn-Verspätung und ohne Sehnsuchtserfüllung am China-Turm - ob man das überlebt? Stattdessen verkehrspolitischer Nachhilfeunterricht in Holland, wo der Radfahrer den des BMW ersetzt, und zwar verkehrspolitisch höchst sanktioniert, denn dort fällt bei der Führerscheinprüfung schon durch, wer nicht beim Losfahren auch in den rechten Rückspiegel schaut; es könnte ja ein Radler kommen. Böse Zungen behaupteten, in den Niederlanden seien die Radfahrer die "Kings of the road", das ist nicht böse, sondern äußerst vernünftig. Denn die Radler dort sind, im Vergleich zum Münchner Zweirad-Rowdy, extrem gelassen und cool und deswegen helmfrei, weil ihnen ja nichts passieren kann.

Doch nun hat mich der Alltag wieder, adieu, oh Mädchen mit dem Perlenohrring, ausgestellt im Mauritshuis in Den Haag (das gleichnamige Buch von Tracy Chevalier war die perfekte Reiselektüre), adieu Delft, wo Jan Vermeer es einst gemalt hat, zurück in der Heimat, wo an diesem Mittwoch Bryan Adams wieder an den "Summer of 69" erinnert. Wir in der SZ-Band Deadline spielen das auch (Tollwood, 17. Juli abends, Andechser Zelt), ich mag das, doch seit unlängst Bryan Adams hier seine Fotografien im Dienste einer Nobelautofirma ausstellte und nicht ein Wort dazu sagen wollte, hat er an Sympathie eingebüßt.

Was sonst auffällt nach langer Abwesenheit? Die Bajuwarisierung des Kulturbetriebs, in einem Maße progredient, dass es einem schwindlig wird. Die Les Derhosn im Fraunhofer (bis Freitag) gehören da ja schon zu den Arrivierten, Zwirbeldirn (am Freitag im Kunstforum Arabellapark) ebenso; und Williams Wetsox mit seinem Blues aus Hinterhuglfing (Freitag, Puchheimer Kulturzentrum) gilt längst als Urgestein der Szene, in der sich 5/8erl in Ehr'n aus Wien (Samstag, Lustspielhaus) ebenso festgesetzt haben wie Nick Woodland, der zwar längst bairisches Englisch spricht, aber die Musik von jeglicher bavaristischer Anbiederei frei hält (Donnerstag, Stadthalle Germering). Neu, oder zumindest noch nicht so ganz entdeckt, sind Charlotte Hofmann und Kai Lauber mit "Saxefix", was für Musikkabarett aus dem Leben "Dahoam und anderswo" steht (Mittwoch, Kulturhaus Neuperlach). Noch neuer ist das Lederhosntraining jeden Donnerstag um 19 Uhr beim Eisbach.

Für Holland-Fans aber heißt das Ziel Alte Pinakothek. An diesem Mittwoch startet dort "Neue Nachbarschaften III". Mit dabei: Niederländische Meister des Barock. Das wird wie Urlaub.

© SZ vom 01.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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