Vorschlag-Hammer:Blick nach vorn

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Pessimisten meinen, das Ende der sogenannten Klassischen Musik sei nahe. Aber der mitteleuropäische Blick ist trübe, das lehrt ein Besuch in China

Von Harald Eggebrecht

Die Frage, was mit all den vielen in den Hochschulen der ganzen Welt ausgebildeten Musikern geschehen solle, stellen gerne Skeptiker und Schwarzseher. Sie wollen glauben, das Ende der sogenannten Klassischen Musik sei nahe, das Publikum ergraue und sieche dahin, jenseits von Oper und Symphoniekonzerten gebe es nurmehr Zirkel und Clubs von Kennern und Eingeweihten, die sich der Kammermusik widmeten. Pessimisten meinen, sie seien der Realität näher als Euphoriker, weil sie das Übel nicht überraschen könne. Nun, der "graue Teppich" im Zuschauerraum ist nicht zu leugnen, auch nicht, dass der Galaeffekt von Oper und Konzert mit Starauftritt ein höheres Publikumsaufkommen erzeugt, um es mal verkehrstechnisch auszudrücken.

Doch es ist ein mitteleuropäischer trüber Blick. Kaum ist man in anderen Weltgegenden, ergreift einen reines Staunen. Da füllen etwa in der südchinesischen Hafenstadt Zhuhai (rund anderthalb Millionen Einwohner) beim Abschlusskonzert des 2. Zhuhai-Mozart-Wettbewerbs für je Klavier und Violine junge Leute und Kinder den Saal. Sie sind deutlich in der Überzahl gegenüber den auch ziemlich jugendlichen Erwachsenen. Alte muss man suchen. Gewiss, überall schimmern die Mobiltelefone für Fotos und Videos. Auch werden die Plätze munter gewechselt. Doch es herrschen fröhliche Neugier und gespannte Heiterkeit im Auditorium. Solisten und das Orchester werden am Ende vergnügt gefeiert mit Johlen und Pfiffen. In einem seiner letzten Interviews hat Maestro Lorin Maazel von diesem Publikum in China geschwärmt und gesagt, dort werde unsere Musikkultur gewissermaßen gerettet und mit neuem Leben erfüllt. Überall entstehen Orchester und werden Säle gebaut. Und die in China ausgebildeten Musiker müssen keinen Vergleich scheuen. Immerhin stellt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung fest, dass auch in Deutschland der Anteil der Jugendlichen, die ein Instrument spielen, zwischen 2005 und 2015 von 19 auf 29 Prozent gestiegen ist.

Bevor wir nun in puren Optimismus ausbrechen, fahren wir am Mittwoch (4. Oktober) nach Ingolstadt in den Konzertverein, um die großartige Geigerin Isabelle Faust mit dem Hammerklavierspezialisten Andreas Staier zu erleben. Am Donnerstag (5. Oktober) dirigiert Esa-Pekka Salonen in der Philharmonie das BR-Symphonieorchester. Dessen Konzertmeister Anton Barakhovsky spielt den Solopart in Salonens Violinkonzert.

© SZ vom 30.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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