Unabhängige Verlage:Treffen der Büchernarren

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Andere Bücher braucht das Land: Unabhängige Verleger stellen im Literaturhaus ihre bibliophilen Programme vor.

Von Stephanie Schmidt

Inhalte jenseits des Mainstreams faszinieren sie, und ihnen ist es wichtig, diese Gedanken liebevoll einzukleiden. Dieses Credo eint circa 30 Verlage aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die sich beim neunten Markt der unabhängigen Verlage am ersten Dezemberwochenende im Literaturhaus München präsentieren. Im Rahmen des Literaturfestes stellen Verleger ihre Bücher vor - Prosa, Poesie, illustrierte Bücher und Comics, Kinderbücher und buchkünstlerische Editionen. Werke mit edlen Leineneinbänden, mit schmucken Lesezeichen und auf hochwertigem Papier gedruckt.

Vier Verlage folgen in dieser Saison erstmals der Einladung zu dem Markt, der unter dem Motto "Andere Bücher braucht das Land" steht. Darunter der in Hollenstedt bei Hamburg ansässige Ankerherz Verlag, der pro Jahr zehn bis zwölf Titel publiziert. Verleger Stefan Krücken wird auch den erfolgreichen Titel "Die Frau, die Nein sagt" ausstellen - ein Buch über die Malerin und Rebellin Françoise Gilot - die einzige Frau, die Pablo Picasso den Laufpass gab. Er habe "von der guten Stimmung auf dem Markt gehört und sei neugierig auf den Dialog mit ähnlich tickenden Kollegen", sagt Krücken.

Ebenfalls zum ersten Mal stellt sich der Berliner Aviva Verlag dort vor. Sein Programm charakterisieren "vergessene Schätze, literarische Entdeckungen und besondere Künstlerinnen", erklärt Verlegerin Britta Jürgs. Auf Hebräisch bezeichnet "Aviva" die weibliche Form des Monats Frühling. So widmet sich der Berliner Verlag denn auch in der Reihe "Wiederentdeckte Schriftstellerinnen" vorwiegend jüdischen Autorinnen der 1920er Jahre, wie etwa Ruth Landshoff-York, Victoria Wolff, Lili Grün oder Vicki Baum.

Seit diesem Jahr ist Jürgs Vorsitzende der Kurt-Wolff-Stiftung. Wichtigstes Ziel dieser Interessenvertretung unabhängiger Verlage ist, Buchkultur und eine vielfältige Literaturszene zu fördern. Im Gegensatz zur Frankfurter und Leipziger Buchmesse, wo es "eher hektisch zugeht", rechnet Jürgs in München mit der Atmosphäre "eines Klassentreffens. Das hat eine andere Qualität. Am interessantesten daran ist für mich, mit Lesern ins Gespräch zu kommen."

Das ist auch für Vanessa Wieser, Chefin des Milena Verlags, ein wichtiger Grund, nach München zu kommen - nun schon zum fünften Mal. "Wir können unmittelbar beobachten, wer sich für welches Buch interessiert und bekommen direktes Feedback - zum Beispiel über Buchumschläge lässt sich ja vortrefflich diskutieren." Der Wiener Verlag, der 2015 sein 35-jähriges Bestehen feiert, widmet sich verschiedenen Genres, von "zeitgenössischer Satire", wie Wieser sagt, über "gewichtige Klassiker" - dazu zählt sie Otto Basils Roman "Wenn das der Führer wüsste" - und "ehrenvolle Zeitgeschichte" bis hin zu "einem bisschen Trash", etwa Dee Dee Ramones "Chelsea Horror Hotel".

Bei Verkauf und Vertrieb geht man auch mal unkonventionelle Wege. "Wer unsere Bücher im Buch- und Bauchladen, an seiner Tankstelle, im Plattenladen oder einfach so an der Straßenecke verkaufen will, der schicke uns einfach eine Mail. Soll Ihr Schaden nicht sein", heißt es auf der Homepage des Hablizel Verlags, der seinen Sitz im nordrhein-westfälischen Lohmar hat und sich erstmals auf dem Markt vorstellt. Er lässt die Tradition der Pixi-Bücher wiederaufleben und macht "kleine Sachen" für Erwachsene. Zu den vier Neuzugängen gehört auch die 2002 gegründete Edition Büchergilde. Sie hat sich unter anderem auf Belletristik, Sachbücher und illustrierte Bücher spezialisiert.

Einen Themen-Schwerpunkt des Marktes bilden Graphic Novels, die Geschichten mit Zeichnungen verbinden. Ihn flankiert die Comic-Reportage-Ausstellung "Gestrandet & verwurzelt". Der Titel bezieht sich auf die zwei Gesichter der Stadt München, Heimat der Saturierten wie der Wohnungssuchenden und Obdachlosen. Die Schau zeigt Comic-Reportagen und Bildergeschichten, die zwölf Zeichner in diesem Jahr bei einem Workshop im Literaturhaus geschaffen haben. Manche Arbeiten sind in aktualisierter Form zu sehen, da einige Künstler inzwischen an ihren Projekten weitergearbeitet haben.

Zum Auftakt der Independent-Buchmesse verleiht das Bayerische Kultusministerium am Freitag, 4. Dezember, den "Preis für einen bayerischen Kleinverlag". Der mit 7500 Euro dotierte Preis geht in diesem Jahr an den Münchner Sieveking Verlag. Er entwickelt Bücher zu den Themen Kunst, Fotografie und Kulturgeschichte. Die Veranstaltung ist öffentlich und beginnt um 19.30 Uhr bei freiem Eintritt im Literaturhaus. Wer die Publikationen des Verlags und die Verlegerin Caroline Sieveking besser kennenlernen möchte, kann auch ihren Stand auf dem Buchmarkt besuchen.

"Andere Bücher braucht das Land", Samstag, 5.12., 11 bis 19 Uhr, Sonntag, 6.12., 11 bis 18 Uhr. Weitere Info s: www.literaturhaus-muenchen.de/bazar. Anmeldung für die Preisverleihung am 4.12. unter der Telefonnummer 089-29 19 34 27.

© SZ vom 12.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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