Trump Town (VIII):Guten Appetit

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Am Donnerstag ist Thanksgiving, der amerikanische Feiertag der Familienharmonie und Festmahle. Dieses Jahr zieht sich allerdings durch manche Festtafel ein unsichtbarer Graben.

Von Peter Richter

Die gute Nachricht ist, bei Chuko in Prospect Heights sind die "Buns" genauso gut wie bei Momofuku im East Village, Rosenkohlsalat und Ramen-Suppe sind sogar besser, die Wartezeiten auf einen Platz dafür noch schlimmer. Die Leute gehen essen zurzeit, als hätten sie Angst, dass ihnen all die guten Dinge demnächst weggenommen werden: die feinen Nudelsuppen aus Japan, die Tacos natürlich und die Ceviche womöglich auch und der Food-Truck von den "Halal Guys" vor dem Museum of Modern Art, vor dem jeden Mittag mehr Leute anstehen, als es in Amerika Muslime gibt. Es ist, als herrschte hier in New York und vermutlich auch drüben in Los Angeles wie San Francisco die Angst, mit der Machtübernahme durch Donald Trump und seinen Wählern aus "The Real America" zurückgeworfen zu werden auf "Macaroni and cheese" und Filterkaffee in Styroporbechern und Berge von "Pink Slime". Pink Slime klingt leider nur so, als wäre das eine Band aus den Punk-Kneipen von Bushwick. Es handelt sich um das Material, aus dem in Amerika immer noch die meisten Hamburger gemacht werden, im Wesentlichen: Schlachtabfälle und Ammoniak. Von dem Flüssigzucker, der unter dem niedlichen Namen "Soft Drink" gallonenweise in Amerikas Kinder gekippt wird, haben wir da noch gar nicht gesprochen. Die Kluft zwischen den Amerikanern in den Großstädten an den Küsten und denen im Binnenland verläuft ja nicht zuletzt auch durch die Tische und Teller. Die Spaltung des Landes ist nicht nur eine zwischen Rechten und weniger Rechten, sondern auch eine zwischen Dicken und Superdünnen. Nur in diesen Tagen versuchen sich alle ausnahmsweise darauf zu einigen, dass sie trockenen Truthahn lieben. Bei den Trumps wie bei den Clintons und den Obamas wird jetzt eine gestopfte Pute auf den Tisch gestellt und in Teile gesägt.

Thanksgiving ist ein Fressfest, das mit dem, was die Deutschen zu Weihnachten veranstalten, deshalb nicht zu vergleichen ist, weil es noch viel, viel größer ist. Denn bei Thanksgiving machen auch die mit, die zu Weihnachten chinesisch essen gehen, weil sie nun mal keinen christlichen Hintergrund haben. Thanksgiving ist wirklich ökumenisch. Eigentlich.

Und jetzt das Aber.

Es hat immer schon Leute gegeben, die das Fest nicht feiern mochten. Meistens leben die in Reservaten. Thanksgiving feiert das Überleben der ersten europäischen Siedler unter feindlichen Bedingungen. Indian Summer, auch so ein schönes Wort aus den Reiseprospekten, war übrigens ursprünglich auch kein Begriff für die hübsche Laubfärbung in Neuengland. Indian Summer beschrieb ursprünglich nur die regelmäßige Warmwetterphase im Herbst, in der die Siedler mit der letzten Angriffswelle der Indianer für das Jahr rechnen mussten. Stand neulich in der Zeitung. Der Korrespondent hatte das nicht gewusst, dabei hätte er es wissen müssen. Wo Harmonie draufsteht, ist meistens in Wahrheit Zwietracht drin.

Die Nachbarin des Korrespondenten ist dieses Jahr nicht heimgefahren nach Louisiana, weil sie die Diskussionen mit ihren Anverwandten über Donald Trump nicht auf sich nehmen wollte. Aus demselben Grund ist ihr Mann nicht heimgefahren nach Colorado. Und das sind nur die Nachbarn aus dem zweiten Stock. Es sind noch nie so viele Leute nicht nach Hause gefahren, weil sie sich nicht mehr sicher sind, ob das noch ihr Zuhause ist.

© SZ vom 25.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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