Trampen:Daumen raus

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Morten Hübbe, Rochssare Neromand-Soma: Per Anhalter nach Indien. Auf dem Landweg durch die Türkei, den Iran und Pakistan. National Geographic Buchverlag, München 2018. 320 Seiten, 16 Euro. E-Book 12,99 Euro. (Foto: verlag)

Der Weg nach Indien führt für Morten Hübbe und Rochssare Neromand-Soma durch die Türkei, Iran und Pakistan. Sie leben eine Freiheit, die ihnen viel Unerschrockenheit abverlangt. Und entkommen dabei etlichen Zwängen doch nicht.

Von Maike Müller

Den Rucksack packen, Daumen raus, los geht's in die Fremde. Statt in All-Inclusive-Hotels abzusteigen, wollen immer mehr Menschen Land und Leute erleben, so authentisch wie möglich. Morten Hübbe und Rochssare Neromand-Soma versuchen das, indem sie per Anhalter durch die Welt reisen. In seinem Blog mortenundrochssare.de und nun bereits in seinem zweiten Buch im National-Geographic-Verlag schreibt das Paar über seine Erfahrungen, herzliche wie gefährliche.

Nun gibt es Reiseblogger wie Sand am australischen Meer, was wiederum noch mehr Blogger anzieht. Sonnenschein, lächelnde Einheimische und Bikini-Selfies locken Daheimgebliebene in die vermeintlich paradiesische Ferne. Im Internet posten Hübbe und Neromand-Soma auch viele farbenfrohe, schöne Fotos. Die spannenden, teilweise gar nicht schönen Geschichten hinter den Bildern erzählen und reflektieren sie in ihrem Buch.

Unerschrockenheit gehört dazu, vielleicht auch Naivität

In "Per Anhalter nach Indien" beschreiben die Autoren ihren Weg durch die Türkei, Iran und Pakistan. Sie reisen betont umweltbewusst - beim Trampen hinterlassen sie laut eigener Aussage keinen ökologischen Fußabdruck - und auf das Allernötigste beschränkt. Unterkünfte suchen sie meist über das Internetportal Couchsurfing, wo Einheimische, die an anderen Menschen interessiert sind, gratis Schlafplätze anbieten. So landen die Abenteurer in Hinterzimmern in Iran, in denen verbotenerweise selbstgemachter Alkohol getrunken wird, oder bei einem Studenten in Kurdistan, mit dem sie sich bei Çay-Tee über die schwierige politische Lage unterhalten.

Zu Beginn, in Istanbul, klingt alles noch recht nach Reiseführer. Orte werden den Lesern schmackhaft gemacht. Für die Menschen aber, bei denen Hübbe und Neromand-Soma wohnen oder bei denen sie mitfahren, interessieren sich die beiden anfangs nur oberflächlich. In Iran nimmt der Bericht an Fahrt auf: Die Autoren werden aus Sicherheitsgründen vom Militär eskortiert, finden sich plötzlich in einem Autorennen wieder und geraten in einen Sandsturm. Die politischen Ausführungen dagegen wirken oft einseitig und verkürzt. Auch bleibt meist unklar, wer gerade schreibt. Immer wieder taucht ein undefiniertes Ich auf, das nur manchmal an langen Haaren oder einem Bart zu identifizieren ist.

Auf ihrer Reise werden Hübbe und Neromand-Soma mit Armut, Unterdrückung und den Facetten des (muslimischen) Glaubens konfrontiert. Sie reflektieren die eigene Freiheit, dahin zu gehen, wohin sie wollen, und so zu reisen, wie sie es tun. Was auf den ersten Blick naiv oder unbedacht wirkt, ist die Voraussetzung für diese Art des Reisens: Freiheit bedeutet für die Tramper auch Unerschrockenheit, Unkompliziertheit und Anpassungsfähigkeit.

Erst in Pakistan packt die beiden die Frustration. Die Polizei lässt kaum noch Kontakte mit Einheimischen zu, bringt sie überall hin und wirft sie aus den Städten auch wieder hinaus, ganz wie es ihr passt. Die Reisenden tun sich mit dieser oft irrationalen Autorität schwer. Erleichtert erreichen sie nach 234 Tagen Indien. Hier endet das Buch und beginnt womöglich irgendwann ein neues. In ihrem Blog kann man den Autoren schon jetzt weiter folgen.

© SZ vom 13.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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