Theaterpolitik:Hybridmodell

Der Rationalisierungsprozess in der Theaterlandschaft Mecklenburg-Vorpommerns geht weiter: Das Volkstheater Rostock soll zum Opernhaus werden. Die Sparten Theater und Tanz würden dann durch Gastspiele bedient.

Von Thomas Hahn

Sewan Latchinian dachte mal, er könnte dem Volkstheater Rostock helfen. Als er dort 2014 Intendant wurde, wollte er dem traditionsreichen Vier-Sparten-Haus neuen Schwung geben. Er hatte etwas Ähnliches schon einmal mit der Neuen Bühne in Senftenberg geschafft, die unter seiner Leitung 2005 zum Theater des Jahres wurde. Aber die Diskussionen um den Sparkurs der Stadt machten ihm die Arbeit schwer. Und jetzt, da die Debatte eine Wende genommen hat, sieht es so aus, als müsse er demnächst die Schrumpfung der festen Theaterbelegschaft in der größten Stadt Mecklenburg-Vorpommerns einleiten. Nach einem Beschluss von Oberbürgermeister Roland Methling (parteilos), der qua Amt erster Gesellschafter der Volkstheater GmbH ist, soll das Volkstheater nämlich ein Opernhaus werden. Latchinian sagt: "Ich weiß nicht, wo ich da noch vorkomme."

Methlings Beschluss ist der vorläufige Schlusspunkt einer erbitterten Debatte um die Zukunft des Volkstheaters. Die rot-schwarze Regierung Mecklenburg-Vorpommerns unterzieht die gesamte regionale Theaterlandschaft gerade einem Rationalisierungsprozess. Im Zuge dieses Sparkurses haben sich Kulturminister Mathias Brodkorb (SPD) und Methling im vergangenen Jahr darauf geeinigt, dass die Stadt Rostock vom Land einen 25-Millionen-Euro-Zuschuss für ein neues Theaterhaus bekommt, wenn die Stadt das mäßig besuchte Volkstheater um zwei Sparten, um Musiktheater und Tanz, verkleinert. Methling hatte diese Halbierung schon lange vor. Das Theater ist ihm zu teuer.

Latchinian wehrte sich und sagte zu, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Zielvereinbarung auch mit vier Sparten einhalten zu können. Aber die ersten Ideen der Theaterleitung fand Roland Methling schlecht. Zwischendurch entzog er Latchinian und dem Geschäftsführer Stefan Rosinski sogar die Mitarbeit am Konzept, bis er vor Kurzem plötzlich den finanziellen Rahmen für eine "Variante Opernhaus" in den Raum stellte.

Daraus hat Geschäftsführer Rosinski sein sogenanntes "Hybridmodell" entwickelt, das er in einem dreißigseitigen Strategiepapier erklärt. Rosinski macht dabei klar, dass sein Modell die Reaktion auf eine Politik ist, die sich die kulturelle Freiheit eines herkömmlichen Stadttheaters nicht mehr leisten will. Er schreibt: "Das Volkstheater als arbeitsfähig ausgestattetes Vierspartenhaus hätte einen jährlichen Mehrbedarf von schätzungsweise einer Million Euro plus der regelmäßigen Kompensation der Tariferhöhungen. Es ist der Rostocker Bürgerschaft politisch jederzeit frei gestellt, einen entsprechenden kulturpolitischen Schwerpunkt zu setzen."

Die Sparten Theater und Tanz wären so gut wie abgeschafft, dafür sollen Gastspiele kommen

Rosinskis Konzept sieht vor, dass Orchester und Musiktheater bleiben. Das Sprechtheater-Programm soll nur noch zum kleineren Teil aus Eigenproduktionen bestehen, stattdessen vor allem aus Koproduktionen und Gastspielen; nach Rosinskis Empfehlung gäbe es nur noch etwa vier feste Schauspieler. Die Sparte Tanz soll eine Landes-Tanzkompanie bespielen. Die Lösung hat Charme. Allerdings erfordert sie einen langfristigen Umbau. Eine Landes-Tanzkompanie zum Beispiel gibt es noch nicht. Und das Sprechtheater als Resonanzraum für lokale Konfliktthemen wäre so gut wie abgeschafft. Es droht eine inhaltliche Beliebigkeit.

Die Theaterleitung hat nun den Auftrag von Methling, bis 20. Februar die Umsetzung der Variante Opernhaus "bei Absicherung von Schauspiel und Tanztheater" darzustellen. Daran arbeitet Rosinski gerade, der im Sommer aber nach Halle wechselt. Und Latchinian? Der befürchtet, dass die Formulierung "Absicherung von Schauspiel und Tanztheater" Methling letztlich dazu veranlasst, die zwei Sparten ganz aufzulösen und nur noch durch Gastspiele zu bedienen. Er hat einen Vertrag bis 2019 in Rostock und sagt: "Mir ist durchaus bewusst, dass Gesellschafterbeschlüsse umzusetzen sind." Aber insgeheim fragt er sich wahrscheinlich, ob er einer Stadt noch helfen kann, die Theater in erster Linie als Bilanzposten führt.

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