Theater:Mitten ins Herz

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Das Wohlfühl-Movie "Wie im Himmel" wird am E.T.A.-Hoffmann-Theater Bamberg zum Bühnenstück, und Regisseurin Heidemarie Gohde findet eigenständige Bilder

Von Florian Welle

Wer keine Liebe hat, so steht es schon in der Bibel, ist nur ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Daniel Daréus ist zwar ein genialer Dirigent, trotzdem ist er mit seinem Orchester unzufrieden - es bringt das Publikum nicht zum Weinen. "Con amore" fordert Daniel immer wieder verzweifelt. Brüllt, zetert, ätzt. Alles vergebens. Es kann ja auch nicht gelingen. Denn das Problem ist nicht der Klangkörper, sondern der Dirigent selbst. Er, und nur er, hat nämlich von der Liebe keine Ahnung. Seinen anschließenden Herzinfarkt hat man daher symbolisch zu verstehen. Zur Genesung zieht sich der Dirigent auf ein Dorf in der schwedischen Einöde zurück. Es ist Weihnachtszeit, und der dortige Laienchor öffnet ihm das versiegelte Herz.

"Wie im Himmel" heißt der Film des Schweden Kay Pollak - 2004 war er der Überraschungshit der Kinosaison, Oscar-Nominierung inklusive. Es ist ein Wohlfühl-Movie mit Tiefgang, aber eben auch mit einer gehörigen Portion Kitsch: Hört einander zu und lasst die Herzen sprechen! Heidemarie Gohde hat nun aus dem Drehbuch eine Theaterfassung erstellt und diese am Bamberger E.T.A.-Hoffmann-Theater inszeniert. Die Aufführung scheut nicht das Pathos und den Herzschmerz, ist sehr musikalisch und unterhaltsam. Heidemarie Gohdes größtes Verdienst: Sie hat eigenständige Bilder gefunden, die schnell die Filmvorlage vergessen lassen.

Endlich ist bei uns Frühling, blühen Kirsche und Kastanie, sind die Bäume grün. Und so sträubt man sich erst einmal gegen das anfängliche Wintersetting. Bis zur Pause schneeschnipselt es unentwegt, tragen die Schauspieler Norweger-Pulli und singen "Jingle Bells" und "Tochter Zion". Die Bühne ist Kramerladen, Gemeinderaum und Kirche in einem, nach oben hin öffnet sich ein richtig schöner weiß-blauer Himmel (Bühne: Jens Hübner). Danach gibt es einen Zeitsprung, hat auch auf der Bühne der Frühling Einzug gehalten. Sofort fühlt man sich nicht mehr ganz so wie in einem rührseligen Weihnachtsstück und beginnt, sich mit dem Chor, bestehend aus den Schauspielern sowie Mitgliedern des Bamberger "musica-viva-Chors" und der Kantorei St. Stephan unter der Leitung von Ingrid Kasper, zu einem Spiritual einzugrooven.

Der wandlungsfähige Florian Walter spielt Daniel Daréus. Am Anfang gibt er den wirklichkeitsfremden Kunstdespoten, der sich selbst im Wege steht und noch nicht einmal Rad fahren kann. Später dann ist er der verträumte Liebhaber wider Willen - alle Dorfbewohnerinnen haben ein Auge auf den Kauz geworfen, was zwangsläufig zu Eifersucht und Zwist führt. Da ist zum einen die verhärmte Siv, zum anderen die kecke Lena. Schließlich die einsame Inger, die Frau des Pfarrers. Die Schauspielerinnen Nadine Panjas, Elena Weber und Ulrike Schlegel sind glaubhaft in ihren Rollen als ewige Jungfer, als Gör und als desperate housewife.

Die Inszenierung von Heidemarie Gohde scheut nicht das Pathos und den Herzschmerz, ist sehr musikalisch und unterhaltsam. (Foto: Thomas Bachmann)

Den Pfarrer spielt Volker J. Ringe. Er ist der eigentliche Gegenspieler von Daniel. Ein Mann des strengen Glaubens, vor allem aber himmelschreiend bigott - heimlich geilt er sich an Pornoheften auf. Volker J. Ringe könnte mit seinen verschatteten Augen und dem steifen Gang direkt einem Ingmar-Bergmann-Film entsprungen sein. Und so hat diese Inszenierung bei all ihrer Con Amore- und Carpe-Diem-Seligkeit auch ihren dunklen Kern.

Wie im Himmel, E.T.A.-Hoffmann-Theater, Bamberg, E.T.A.-Hoffmann-Platz 1, nächste Vorstell.: 7./10. Juni

© SZ vom 05.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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