Theater:Leidenschaftlich unwägbar

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Die neue Spielzeit des Münchner Volkstheaters

Von SABINE LEUCHT, München

"Über was lacht der liebe Gott? Über Planung!", lacht der Gottes- und Chaos-Experte Christian Stückl und schaut zurück in die vergangene Spielzeit, als Jessica Glause ein Sachbuch und Stückls indischer Freund Sankar Venkateswaran ein Sanskrit-Stück inszeniert hat. Wenn auch ein anderes als angedacht. Spielzeitplanung unter der Intendanz von Stückl, der seinerzeit an den Münchner Kammerspielen kündigte, weil er erzählen sollte, was er nicht wollte, geht mit ganz viel Lust auf die eigene Geschichte und auch mit Unwägbarkeiten einher. Dennoch gab es wieder eine Spielzeit-Pressekonferenz im Volkstheater, die 15. unter Stückl, und laut Kulturreferent Hans-Georg Küppers wohl die vorvorvorletzte vor dem Umzug ins neue Haus im Viehhof. Weitere Informationen zum Stand der Planungen gibt es im Februar.

Die Spielzeit an der Brienner Straße beginnt am 22. September mit Lilja Rupprechts Auseinandersetzung mit Dea Lohers "Unschuld". Klar ist auch schon, dass Stückl und sein Hausregisseur Abdullah Kenan Karaca je zwei Inszenierungen stemmen. Der Intendant will mit "Der Sturm" von 18. Oktober an den Beweis antreten, dass Shakespeares Alterswerk "kein sphärisches Märchen" ist, Prospero auch jung sein kann und der Sturmgeist Ariel viel vom "Sommernachtstraum"-Puck hat. Karaca trägt sich schon lange mit der "Medea" des Euripides und hält es für an der Zeit, Fragen zu stellen wie: Wozu ist ein Mensch in Ausnahmesituationen fähig? Welche Mechanismen und Strukturen stehen hinter unerhörten Taten?

Während Karacas Entscheidung für seine zweite Inszenierung noch reift und Stückl mit einem Stoff über den IS schwanger geht, wird Nicolas Charaux Kafkas Roman "Das Schloss" mit den Augen eines Franzosen lesen und nach seinem Einstand mit Lars Noréns "Dämonen" erstmals die große Bühne bespielen (Premiere im Januar). Und wenn das jetzt so wirkt, als stünden gegenüber 2015/16 "viele gelbe Hefterl" (Stückl) auf dem Spielplan: Es werden auch wieder Glause und Venkateswaran zum Zuge kommen, der laut Christian Stückl "schon wieder einen Titel genannt hat, den ich nicht aussprechen kann". Im November müsse er unbedingt nach Indien fahren und dem nachgehen.

Da alles im Prozess ist am noch immer jungen Volkstheater, ist der als Raskolnikow groß herausgekommene Paul Behren vorzeitig ans Deutsche Schauspielhaus Hamburg gewechselt, dafür kommen neben dem "Katzelmacher" Timocin Ziegler die Schauspielschul-Absolventinnen Pola Jane O'Mara und Julia Richter neu ins Ensemble. Trotz einer durchschnittlichen Platzauslastung von 84,73 Prozent und 86,7 Prozent beim Regiefestival "Radikal jung" plädiert Stückl leidenschaftlich dafür, sich nicht allzu abhängig von Zahlen zu machen. Anstatt immer mehr Produktionen hektisch an- und wieder abzusetzen, solle man eher weiter lernen, gut miteinander umzugehen. So hat er aktuell etwa zwei Flüchtlinge als Lehrlinge in der Schneiderei und Veranstaltungstechnik untergebracht. Das kann man planen - oder einfach machen.

© SZ vom 16.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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