Theater:Grün ist die Hoffnung

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Der Garten ist ein Paradies, aber am falschen Ort: Valerie Pachner (Irina) und Johannes Zirner (Kulygin). (Foto: Thomas Dashuber)

Tina Lanik verpflanzt Tschechows "Drei Schwestern" am Münchner Residenztheater in ein Arkadien aus Bäumen, in dem jäh die Träume platzen.

Von Cornelia Fiedler

"Eine andere Welt ist pflanzbar", so lautet das ironiefreie Glücksversprechen des "Urban Gardening". Dessen Markenzeichen, Landschaften aus Holzpaletten und Pflanzkübeln mitten in der Stadt, holt Bühnenbildner Stefan Hageneier ins Münchner Residenztheater, dicht bepflanzt mit echten, mediterranen Bäumen. Für Anton Tschechows "Drei Schwestern" ist dieses Gummistiefel-Arkadien eindeutig nicht Erfüllung, sondern Ersatz: die wenig überzeugende Behauptung eines richtigen Lebens im deprimierend falschen. Die Regisseurin Tina Lanik inszeniert das ungleiche Trio aber nicht als Opferschar der Umstände, sondern als Frauen, die wissen, wie sehr sie sich selbst im Weg stehen.

Die Älteste, Olga, spielt seit dem Tod der Eltern die Versorgerin und verliert sich bei Juliane Köhler irgendwo zwischen Jobstress, Wodka und angestrengter Empathie. Hanna Scheibes unglücklich verheiratete Mascha steht mit sich und der verkorksten Welt dauerhaft auf Kriegsfuß. Sie erlaubt sich nur absolut perspektivloses Glück, etwa die Affäre mit dem Moskauer Batteriekommandeur Werschinin, knuffig-vergeblich gespielt von Markus Hering. Irina, der Jüngsten, gibt Valerie Pachner eine jugendlich-abgeklärte Ehrlichkeit und Stärke. Am Ende wird sie es sogar wagen, aus den eingefahren Bahnen des Tschechow-Universums auszubrechen. Das passiert jedoch recht unvermittelt und hätte, wie manche der vorsichtigen Interpretations-Stupser dieses Abends, klarer herausgearbeitet werden können.

Für hirnlose Heiterkeit sind dagegen die Männer zuständig. "Mir geht es gut", gackert Maschas Ehemann (Johannes Zirner) mantraartig. Wenn Andrej (Shenja Lacher), der Bruder der drei Ladys, versucht, es ihm gleichzutun und mit überschlagender Stimme sein kleines Glück beschwört, ist das zum Weinen hilflos. Lanik betont die Modernität, die Eigenverantwortlichkeit der Figuren. Dass reflektierter Pragmatismus auf der Bühne weniger Wucht erzeugt als bittere Tragik, nimmt sie dabei mutig in Kauf.

© SZ vom 27.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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