Theater:Das Politische im Privaten

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Sven Grunert inszeniert in Landshut "Torquato Tasso"

Von Egbert Tholl, Landshut

Sven Grunert ist einer der am längsten amtierenden Theater-Intendanten Deutschlands. Nicht nur Deutschlands. Seit 25 Jahren und damit von Anfang an leitet er das Kleine Theater Landshut, das seit knapp 20 Jahren im wunderbar renovierten Rottenkolberstadel mit seinem spektakulären Dachgebälk untergebracht ist. Die Existenz des Hauses ist eine bemerkenswerte, künstlerische Erfolgsgeschichte, das wissen auch Stadt, Land und Bezirk und helfen dem Theater beim Arbeiten und Überleben. Das ist sehr schön so und zeigt, dass in einem gar nicht so riesigen Ort in Niederbayern zwei Theater bestens nebeneinander existieren können, eben das Kleine und das Landestheater, das schon seit längerem in einem Zelt haust, weil die Renovierung seines Stammhauses eine offenbar schwierige Angelegenheit ist.

Nun hat Grunert an seinem Haus Goethes "Torquato Tasso" inszeniert, das autobiografisch unterfütterte Stück über den Dichter, der mehr sein will als das, wofür ihn seine adeligen Gönner lieben. Er will Welt, die anderen wollen schöne Verse. Bei Grunert sitzt Julius Bornmann in einem offenen Zimmer hoch über der Bühne, deren Hintergrund ein von Evi Eschenbach und Jeanette Raue wunderschön gemalter Prospekt eines klassizistisch-weißen Waldes bildet. Enthoben ist Bornmanns Tasso der Welt nicht; geschwind kann er nach unten klettern oder erhält noch in der Höhe Besuch von oben, wenn Antonio aus dem Dachgebälk klettert. Unten sitzen erst einmal die beiden Leonores, also die Prinzessin (Katharina von Harsdorf), Schwester des fürstlichen Gastgebers Alfons (Sebastian Gerasch), und deren Freundin (Louisa Stroux). Beide sind Tasso in einer gewissen Ambivalenz zugetan, beide genießen die Sommerfrische und stecken die Füße in den Blumeneimer. Alles könnte schön sein, wollte Tasso nicht mehr sein als Hofnarr und darunter leiden.

Ein Streit Tassos mit dem Polit-Profi Antonio (Andreas Sigrist) bringt die Dinge durcheinander. Bei Grunert muss dafür nicht der Dichter sein Schwert ziehen, es reicht der reine Disput zwischen den beiden hier fast Gleichaltrigen. Diesen Disput nun formt Grunert im weiteren Verlauf mit Hilfe des flamboyanten Jünglings Bornmann zu einer Geschichte über jugendliche Euphorie, Tatendrang des Herzens, missverstandene Gunstbezeugungen, mangelnde Loyalität und Verfolgungswahn. Der Dichter soll brav in seiner Klangwolke aus Schreibmaschinengeräuschen bleiben, auch die Damen holen sich bei ihm nur den erotischen Kitzel, den sie anderswo einzulösen gedenken. Das alles ist sauber gearbeitet und gut gespielt, wirkt eher privat als politisch. Aber wie kann man das schon trennen?

© SZ vom 20.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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