Theater:Blendung und Verblendung

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Wie Marsmännchen wirken Stephan Ullrich, Anna Döing und Paul Maximilian Pira (von links) im Bühnenstück "Am Königsweg". (Foto: Martin Kaufhold)

In Elfriede Jelineks "Am Königsweg" ist Donald Trump nicht Präsident, sondern der Welt neuer König. Nun ist das Stück auch in Bamberg zu sehen

Von Florian Welle

Es beginnt im Dunkeln, still und leise. Hier ein Flüstern, dort ein Wispern, die Worte hallen nach: "Ich sehe nicht, ich sehe doch, nein, doch nicht." Vielleicht helfen Taschenlampen gegen Blindheit. Glühwürmchen-Effekt. Dann doch besser grelles Oberlicht. Es blendet auf, und urplötzlich stehen sie vor uns: drei Schauspieler in merkwürdigen Strampelanzügen, ganz in grün. Ein bisschen wie Marsmännchen schauen sie aus. Reiben sich die Augen, blicken dann um sich. Sie leben in einer Höhle. Daher auch die Echos, die im Studio des ETA Hoffmann Theaters in Bamberg das Gesagte verdoppeln.

Rückblende: Vor kurzem hatte Elfriede Jelineks Text "Am Königsweg" am Hamburger Schauspielhaus Uraufführung. Falk Richter strich dort die 92 Seiten um die Hälfe zusammen und machte daraus einen (Polit-)Zirkus mit ordentlich Tusch. Schließlich steht Donald Trump im Zentrum, auch wenn er namentlich nie genannt wird. Er ist bei Jelinek nicht Präsident der USA, sondern gleich der Welt neuer König. Oder eben Clown.

Die Österreicherin begann ihr Stück noch in der Wahlnacht zu schreiben. So, als traute auch sie ihren Augen nicht. "Ich arme Blinde verstehe nicht, was ich da bestellt habe", heißt es an einer Stelle im Text, in dem sich die Autorin auch selbst auftreten lässt. So selbstkritisch und ratlos wie selten: "Wir haben ausgewortet (...) wir waren eine Zeitlang ausgesprochen begehrt, wir haben sogar die Meinung angeführt, bis sie sich verirrt hatte." Auch vom Versagen der Intellektuellen spricht "Am Königsweg". Nun gibt es das Stück also auch in Bamberg zu sehen. Allerdings in einer eigenen Spielfassung, die nur mehr 22 Seiten lang ist. Ein Konzentrat, das es in sich hat. Daniel Kunze beschränkt sich in seiner Inszenierung weitestgehend auf einen Motivstrang: Der des Sehens beziehungsweise Nicht-Sehens vor dem Hintergrund von Donald Trump, Digitalisierung und Fake News. Er erzählt also von Blendung und Verblendung. Entstanden ist so ein ganz und gar philosophischer Abend. Klug in der Wahl der kreativen Mittel, ernsthaft im Umgang mit seinem Thema. Daher nur selten aufgedreht und schon gar nicht überdreht. Spielerisch-assoziativ indes schon. Wenn Anna Döing, Paul Maximilian Pira und vor allem Stephan Ullrich noch die großen Textblöcke im Verlauf weiterer Aufführungen ganz zu den ihren gemacht haben werden, steht einer rundum dichten Inszenierung nichts im Wege.

Elfriede Jelinek spielt zuhauf auf antike Mythen an. Etwa auf Kassandra, die Seherin, der man kein Gehör schenkt. Oder auf den blinden Seher Teiresias, der nur zähneknirschend seine Prophezeiungen preisgibt. Vor allem aber auf Platon und dessen Höhlengleichnis, das, stark vereinfacht, vom Erkennen und Verkennen der Wirklichkeit handelt. Die Gefangenen in der Höhle halten die Schatten, die ein Feuer auf die gegenüberliegende Wand projiziert, für das Echte. Heute würde man wohl sagen: Typischer Fall einer medialen Filterblase. Platons Schattenbilder gleichen unserem steten Blick auf das Display, auf dem der König der Blinden, diese "eingetopfte Narzisse", uns zuzwitschert und wir ihm blindlings "ins Netz gehen". Jelineks Wortspiele sind in ihrem neuen Werk von erschreckender Treffsicherheit.

Daniel Kunze und sein Bühnenbildner Adrian Ganea haben das Studio in eine Höhle vor grünen Pappwänden verwandelt, die an die Greenscreen-Technik im Film erinnern. Zusammen mit der Leinwand, die darüber hängt, wird man so verblüffender Effekte ansichtig, die man sich von Ganea, der Teil der Künstlergruppe Virtuelles Theater Berlin ist, gerne einmal erklären lassen würde. Mitunter fühlt man sich auch an eine Art Echoraum der Geschichte erinnert. Büsten von Homer bis Marx werden immer wieder herumgetragen und abgestaubt: Make History Great Again! Dazu gibt's Musik von Händels "Sarabande" bis Abbas "The Winner Takes It All". Trump der Gewinner der Zeitläufte? Wirklich? "Sie müssen diesen Abend hinterfragen. Sie müssen hinter diese Wand schauen, auf die hier die ganze Zeit projiziert wurde, um die Wahrheit zu sehen", lautet zum Schluss die Aufforderung an uns. Alle!

Am Königsweg , Mi. und Do., 29. und 30. Nov., 20 Uhr, ETA Hoffmann Theater, Bamberg, weitere Spieltermine im Dezember

© SZ vom 29.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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