Teheran-Sammlung:Die Königin und ich

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Die Amerikanerin Donna Stein hat die Sammlung der Schah-Gattin Farah Diba zusammengestellt. In London schwelgt sie in Erinnerungen an glückliche Zeiten.

Von Alexander Menden

Als im Juni 1977 nach einigen Verzögerungen in Teheran die Kisten geöffnet wurden, blieb Donna Stein kurz das Herz stehen. Unter den Kunstwerken, die sie im Auftrag der persischen Schah-Gattin Farah Diba für das Teheraner Museum Zeitgenössischer Kunst erstanden hatte, waren zwei große Giacometti-Bronzen: eine Version des berühmten "Schreitenden Mannes" und eine stehende weibliche Figur. Die Frau war an der Hüfte abgebrochen. "Keine Ahnung, wann das passiert war, beim Transport oder beim Öffnen der Kiste", erinnert sich Donna Stein: "Aber ich war entsetzt!" Davon abgesehen hat die amerikanische Kunsthistorikerin ihre Zeit in Persien in allerbester Erinnerung.

Donna Stein, eine zierliche, bebrillte Dame, hatte in diesen Tagen eigentlich nach Berlin reisen wollen, um die Ausstellung mit Leihgaben aus dem Teheraner Museum in der Berliner Gemäldegalerie anzusehen. Doch Ende vergangenen Jahres wurde die Schau abgeblasen. Der iranische Staatspräsident Hassan Rohani hatte seine Zustimmung zur Ausfuhr der Kunstwerke verweigert. Der deutsche Partner, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, hatte nach vielen Verzögerungen die Geduld verloren und den Vertrag gekündigt ( SZ vom 28. November).

"Wenn etwas erstklassig und auf dem Markt war, wurde es gekauft", erinnert sie sich

Die Schau in Berlin wäre für die 74-Jährige die Gelegenheit gewesen, nach mehr als vierzig Jahren Teile einer Sammlung zu sehen, deren Grundstein sie selbst legte. Über die Absage sei sie "sehr enttäuscht" gewesen, flog nicht nach Deutschland, sondern beschränkte ihren Europa-Besuch auf London. Hier, im Café des Imperial War Museum, erzählt sie von der Entstehung einer Sammlung, die als qualitäts- und wertvollste Zusammenstellung moderner westlicher Kunst außerhalb Europas und der USA gilt.

Alles begann, als Donna Stein in der Grafikabteilung des Museum of Modern Art (MoMA) in New York arbeitete. Dort gehörte von 1966 bis 1972 auch die Ausbildung jüngerer Angestellter zu ihren Aufgaben, darunter einer Angehörigen des königlichen persischen Sekretariats. Nach Ablauf ihrer Zeit am MoMa ging die Kuratorin auf eine siebenmonatige Weltreise, um eine Studie der Geschichte der Weltausstellungen vorzubereiten. Diese führte sie unter anderem nach Iran, wo sie bei einer Studienfreundin wohnte, deren Ehemann Iraner war. "Ich nahm den Kontakt zu der Sekretärin wieder auf, die ich aus New York kannte", erzählt Donna Stein. "Ihr Vater war General a. D., und sie führte mich in den Kreis der sogenannten 1000 Familien ein, die damals die Elite des Landes stellten. Alle hochgebildet und mehrsprachig." Irgendwann kam die Amerikanerin in Berührung mit dem Hof des Schahs.

Zur gleichen Zeit entwickelte Farah Diba - Donna Stein nennt sie nur "die Königin" - größtes Interesse an moderner und zeitgenössischer Kunst. "Alles ging von der Königin aus", schwärmt Donna Stein. "Viele neue Gebäude wurden errichtet, alte renoviert. Sie war sehr interessiert an den Künsten und vor allem daran, den Menschen in Iran zu zeigen, was es außerhalb ihrer eigenen Kultur gab. Das war eine Volksbildungsmaßnahme."

Zudem existierte durchaus eine zeitgenössische heimische Kunstszene, viele iranische Künstler waren im Ausland gereist und hatten dort studiert. Auf Anregung der Künstlerin Iran Darroudi habe Farah Diba dann den Bau eines Museums für Kunst aus Iran verfügt, aber auch aus dem Westen. Sie sollte jedem zugänglich sein. Kamran Diba, ein Cousin der Königin, baute das modernistische Gebäude mit Anklängen an klassische persische Architektur. Er wurde auf Drängen seiner Cousine dann auch der Direktor, da alle Ausländer abgewinkt hatten. Was jetzt noch fehlte, war erstklassige westliche Kunst.

Kurz nach ihrer Rückkehr nach New York im Oktober 1974 bekam Donna Stein einen Brief von ihrer iranischen Freundin, in der ihr ein "sehr interessanter Posten" angeboten wurde, wie sie es nannte: "Ich sollte, als Teil des königlichen Sekretariats, eine Sammlung westlicher Kunst vom Impressionismus bis zur Gegenwart zusammenstellen. Ich erinnere mich noch lebhaft daran, wie ich den Brief vor meinem Haus in West 72nd Street las und vor Freude auf und ab hüpfte. Ich konnte es einfach nicht glauben."

Da sie den Job nicht ohne vorheriges Gespräch annehmen wollte, reiste sie über Weihnachten und Neujahr nach Teheran und entwarf dort einen Plan für die Sammlung. Kurz nach ihrer Ankunft kaufte sie auf einer Kunstmesse in der iranischen Hauptstadt erste Werke, darunter einen Kandinsky, vier Giacometti-Arbeiten und eine Max-Ernst-Bronze.

Der Plan bestand darin, vor allem Arbeiten auf Papier zu sammeln, Drucke, Zeichnungen von Künstlern wie Jasper Johns, Robert Rauschenberg, Andy Warhol, außerdem Bücher und Fotos. Nachdem Donna Stein im Januar 1975 bereits in New York die Arbeit aufgenommen hatte, erreichte sie die Verfügung, dass auch Gemälde und Skulpturen dazukommen sollten.

Während das verhasste Schah-Regime im Westen Proteste auslöste, erlebte die Amerikanerin Stein Persien als kuratorisches Paradies. Die Kunst, die sie kaufen wollte, teilte sie in drei Sparten ein: "Absolut essenzielle Künstler wie Matisse oder Picasso, von denen man mehr als ein Kunstwerk haben musste. Dann Künstler wie James Whistler, die zumindest mit einem typischen Kunstwerk vertreten sein sollten. Und dann Künstler, die zwar interessant, aber nicht unentbehrlich waren", zählt sie auf.

Auf die Frage, ob das repressive System der Pahlavis nicht auch ein ethisches Problem gewesen sei, wird Donna Stein sehr vage. Natürlich sei die Monarchie restriktiv gewesen, sie habe das am eigenen Leib erfahren, wolle da aber nicht ins Detail gehen. Andererseits, da ist sie ganz sicher, sei das System "nicht einmal annähernd so schlimm" gewesen wie der heutige Mullah-Staat. Dass die ungeheuerliche Grausamkeit des Savak-Geheimdienstes, Korruption und Protzerei der Königsfamilie zur Khomeini-Revolution beigetragen haben könnten, sieht sie nicht, ganz im Gegenteil: Gerade ihre Modernisierungsversuche seien der Monarchie zum Verhängnis geworden: "Wenn überhaupt, dann war diese Gesellschaft zu offen, die Frauen waren unverschleiert." Immerhin erkannte auch sie ein "großes Wohlstands-Ungleichgewicht".

Was die Sammlung anging, spielte Geld beispielsweise keine Rolle: "Wenn etwas erstklassig und auf dem Markt war, wurde es gekauft. Es ging nur um Seltenheit, Provenienz und natürlich Qualität." Sie aktivierte Kontakte aus ihrer Zeit am MoMA, darunter den Direktor Richard Oldenburg und Bill Lieberman, Chefkurator für Gemälde und Plastiken, und bat um Empfehlungen. Sie wandte sich an Händler in London, Los Angeles und London. Niemand hatte Bedenken: "Ich erklärte, was ich brauchte, und sie halfen."

Die Kuratorin Donna Stein (links) und die Ex-Monarchin Farah Diba (rechts) in den Neunzigerjahren. (Foto: Judy Dater)

Anhand einer lückenlosen Liste zählt die Kuratorin die Kunstwerke auf, die damals Eingang in die Sammlung fanden. Höhepunkte waren etwa Jackson Pollocks berühmtes "Mural on Indian Red Ground" von 1950 und eine Version der Picasso-Bronzeplastik "Pavian mit Junge". Ein Gemälde, Renoirs "Gabrielle mit offener Bluse", das von ihrem Kuratoren-Nachfolger David Galloway angekauft wurde, habe im Schlafzimmer des Schahs gehangen. Im Juni 1975, als all die Kunst ausgepackt wurde, habe sie zwei Wochen am Stück gearbeitet, erzählt Stein, dann habe der Kern der königlichen Sammlung gestanden.

"Diese Sammlung ist das Vermächtnis der Königin, sie hat dem Land damit einen großen Dienst erwiesen", sagt Donna Stein. Dass die Kunstwerke seit der Islamischen Revolution 1979 im Keller des Museums verwahrt werden und der Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich sind, sei sehr bedauerlich. Nur einmal, im Jahr 2005, gab es eine Ausstellung mit einer Auswahl aus der Sammlung. Allein die großen Plastiken, wie eine "Liegende Figur" von Henry Moore und die - mittlerweile reparierten - Giacometti-Plastiken, sind nach wie vor im Außenbereich des Museums zu sehen.

Ebenso bedauerlich sei nun die Absage der Berliner Ausstellung. Über die Gründe für das Zögern der iranischen Regierung kann auch Donna Stein nur spekulieren: "Es wurde behauptet, man habe Angst, Schah-treue Iraner könnten im Ausland Zugriff auf die Werke bekommen und verhindern, dass sie nach Iran zurückkehren." Sie selbst - unverdrossen königstreu - halte es für ausgeschlossen, dass Farah Diba dies veranlassen könnte. Schließlich liebe "die Königin" ihr Land und wolle, dass das Volk Zugang zu diesen Kunstwerken hat: "Aber natürlich wollte sie es sich ansehen, das hat sie mir gesagt. Vielleicht war ihnen das nicht recht, vielleicht wollten sie einfach mehr Geld, wer weiß?"

Nun hofft die Kuratorin, dass die Ausstellung, die ursprünglich diesen Januar ins Maxxi, das Museum für Zeitgenössische Kunst in Rom, weiterreisen sollte, wenigstens dort zu einem späteren Zeitpunkt noch gezeigt wird. Dafür würde sie wieder nach Europa reisen, sagt Stein: "Und ich würde dort hoffentlich die Königin wiedersehen."

© SZ vom 30.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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